Tausendzweiundzwanzig

Das Gespräch mit dem Leiter der Softwareentwicklung in unserem neuen Standort verlief unangenehmer als erwartet.

Dass er sich gut zwanzig Minuten verspätete, nahm ich ihm noch nicht einmal übel. Er hatte eine längere Anreise und kennt sich hier nicht aus. Das entschuldigt solche Verzögerungen.
Der Pförtner rief mich an, als er eingetroffen war, und ich ging hinunter, um ihn abzuholen.

Schon aus ein paar Metern Entfernung nahm ich seinen abstoßenden Geruch wahr. Bei der Begrüßung warf mich sein Atem fast um, so dass ich wohl unwillkürlich zurückwich. Auffallend graue Haut (weswegen ich ihn hier zukünftig als „Herr Grau“ bezeichnen werde), gelbe Zähne, gelbe Finger. Mein Nerdar versagte. Selten war mir ein Mensch auf Anhieb so unsympathisch. Ich gab mir aber Mühe, mir meine Abscheu nicht anmerken zu lassen, sondern bat ihn, mir in mein Büro zu folgen. Dort ließ ich die Tür einen Spalt offen stehen, damit er sich sicher fühlen kann (und um mehr Frischluft hereinzulassen).

Das folgende Gespräch verlief wenig konstruktiv. Ich kann ja verstehen, dass er an der bestehenden Software hängt, bei der er schließlich die Architektur selbst geplant hat. Trotzdem muss er einsehen, dass wir nicht zweigleisig fahren werden, sondern die Software vereinheitlichen werden. Ich werde das durchdrücken, auch wenn ihm das nicht passt.
Schade, ich hätte mir gewünscht, gemeinsam das optimale Vorgehen zu besprechen, aber wenn er nicht kooperiert, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als alleine eine Strategie zu entwickeln.
Herr Grau verabschiedete sich mit einem Hustenanfall.

Ich sah ihn später noch bei der Sekretärin stehen, und auf sie einreden.
Als ich sie später fragte, worum es gegangen sei, antwortete sie mir, er habe unbedingt einen kurzfristigen Termin beim Geschäftsführer haben wollen, aber da dessen Zeitplan schon überfrachtet (wie immer!) sei, hätte sie ihm erst einen Gesprächstermin für den nächsten Vormittag geben können.
Also wird Herr Grau auf Firmenkosten hier noch mal übernachten, anstatt beim neuen Standort seiner Arbeit nachzugehen.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

16 Antworten zu Tausendzweiundzwanzig

  1. Athropos schreibt:

    Ich freu mich ja schon auf die Fortsetzung (davon ausgehend, dass Hr. Grau (was ist an grauen Haaren übrigens so schlimm?) den GF für die Bestandswahrung einspannen will).

    Like

  2. Molly schreibt:

    Ah-so, da er bei Dir nicht seitergekommen ist, will er es also hintenrum versuchen. Nicht besonders nett, aber irgendwie auch verständlich. Egal, ich denke Carsten wird ihn auflaufen lassen.

    Like

  3. ednong schreibt:

    „Also wird Herr Grau auf Firmenkosten hier noch mal übernachten, anstatt beim neuen Standort seiner Arbeit nachzugehen.“
    _Das_ klingt so richtig erfreut …

    Ich seh schon, das wird eine spannende Beziehung werden. Mal sehen, wann sie reißt.

    Like

  4. breakpoint schreibt:

    TausenddreiundzwanzigNatürlich habe ich mich abends mit Carsten über sein Gespräch mit Herrn Grau unterhalten.

    „Was wollte denn Herr Grau von dir?“
    „Hm .. ihm gefällt diese Softwareumstellung nicht.“
    „Das hat er aber nicht zu entscheiden.“
    „Nein, das nicht. Aber er h…

    Like

  5. Pingback: Tausenddreiundsiebzig | breakpoint

  6. Pingback: Tausendsechsundsiebzig | breakpoint

  7. Pingback: Elfhundertdreißig | breakpoint

  8. Pingback: Elfhunderteinundneunzig | breakpoint

  9. Pingback: Tausenddreiundzwanzig | breakpoint

Hinterlasse einen Kommentar