Neunhundertzehn

Heute ist Phallentinstag, und diesmal habe ich rechtzeitig daran gedacht, eventuellen Geschenken vorzubeugen.
Wir haben also ausgemacht, dass wir uns gegenseitig ein Wellnesswochenende schenken (er zahlt, ich organisiere). Allerdings erst nächste Woche, da wir uns nicht irgendwelchem Faschingstrubel aussetzen wollen.
Außerdem ist nächsten Samstag dann auch gleich unser Wiedervereinigungstag enthalten, sowie sein Geburtstag (an den ich ihn aber nicht explizit erinnern darf).

Heute abend dagegen, hm, da findet im Dorf so eine Feier statt, über die Carsten und ich bereits vor einiger Zeit eine Unterhaltung hatten:

„Samtpfötchen, wir sind zu einer Faschingsparty der Gemeinde eingeladen worden.“
„Willst du da hin gehen?“, fragte ich mehr als skeptisch.
„Eigentlich nicht. Aber der Bürgermeister und einige andere haben mich persönlich dringend gebeten zu kommen.“
„Aha.“
„Ja, ich weiß schon, dass die wieder mal auf eine großzügige Spende hoffen.“
„Und die wirst du ihnen geben?“
„Warum nicht. Es liegt mir durchaus daran, dass das Dorf eine gewisse Infrastruktur hat. Und es ist ja ein allgemeinnütziger, steuerlich absetzbarer Zweck.“
„Na, dann geh‘ halt hin.“
„Du bist ausdrücklich miteingeladen.“
„Ausdrücklich?“ Das kam mir doch ziemlich unglaubwürdig vor. Bisher fühlte ich mich bei meinen Kontakten mit der hiesigen Dorfbevölkerung nicht gerade willkommen.
„Naja, sie müssen einsehen, dass du zu mir gehörst. Das habe ich so durchblicken lassen, woraufhin sie meinten, du sollst selbstverständlich mitkommen.“ So richtig überzeugend hört sich das ja nicht an.
„Nee, danke, ich verzichte. Und Fasching mag ich eh nicht.“

Seit ich im Kindergarten Fasching feiern musste, kann ich das nicht mehr ausstehen. Ich hätte höchstens als Cowgirl oder Zauberfee mit Kegelhut gehen wollen. Stattdessen wurde ich als Gänseliesel verkleidet. Dazu musste ich u.a. ein Dirndl anziehen (das ich mit meinen 4 oder 5 Jahren schon gut ausfüllte, da es passend zugeschnitten war). Spätestens seither kann ich Fasching, Dirndl und Verkleidungen nicht leiden.
Beim obligatorischen Faschingsumzug in meiner Heimatstadt war es mehr als eine Qual, frierend durch den eisigen Schnee stapfen zu müssen. Immerhin wurden wir Kinder danach mit einer heißen Wurst im Brötchen belohnt.
Auch später hatte ich nie das Bedürfnis, mich als andere Person darzustellen. Da unsere Region aber eine Faschingshochburg war, war es auch in der Schule noch Pflicht, sich an einem Tag zu verkleiden (üblicherweise am Freitag vorher, denn Rosenmontag und Faschingsdienstag waren ja schulfrei). Ich umging das weitestmöglich, indem ich mir einen alten Rock meiner Mutter borgte, und mir die Haare irgendwie hochsteckte. Dazu etwas Schminke und ein paar Ketten, und dieses Outfit nannte ich dann „(feine) Dame„, weil es so dämlich war. Etwa ab der achten Klasse, weigerte ich mich dann erfolgreich, auch diese Minimalverkleidung anzulegen.

Unbeeindruckt fuhr Carsten fort: „Das Motto ist ‚Alice im Wunderland‘. Dazu fällt dir doch bestimmt etwas ein.“
„Klar doch. Du gehst als Alice Cooper, und ich als Alice Schwarzgeld.“
Er lachte: „Ach, Süße, ich erinnere mich an eine italienische, sehr rassige Sängerin namens Alice. Außer einer schwarzen Perücke müsstest du dich da gar nicht verkleiden.“ Dabei zerzauste er mir die Haare.
„Nee, nee, Schatz, nimm‘ mal lieber du die Perücke. Ich verkleide mich nicht, und falls ich überhaupt mitkomme, dann nur dir zuliebe.“
Er nahm mich lachend in die Arme und küsste mich, so dass wir die verbale Unterhaltung zugunsten einer non-verbalen nicht mehr weiter fortsetzten.

Es ist also momentan noch offen, ob wir abends dort hingehen. Mit irgendwelchen Faschingskostümen bestimmt nicht.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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15 Antworten zu Neunhundertzehn

  1. sweetsurrender schreibt:

    Ich finde so „lustige“ Kostüme auch doof.
    Ich hab mir dieses Jahr eine knallenge schwarze Lederhose, hochhackige Fransenstiefel, eine Spitzencorsage und darüber eine halbdurchsichtige Bluse, als Schärpe meinen Bauchtanzgürtel und ein schwarzes Kopftuch angezogen und bin als Pirat gegangen.
    🙂

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  2. idgie13 schreibt:

    Fasching ist auch nicht meins .. :no:

    Deshalb sind wir ja auch genau JETZT in Copenhagen ;). Hier ist so was ähnliches wie Fasching nämlich im Sommer.

    Dirndl mag ich dagegen sehr :yes:

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  3. baerlinerinn schreibt:

    …ich kann mit dem Quatsch auch nichts anfangen! Wobei ich manchmal geneigt bin zu denken, schade eigentlich. Wäre ich damit groß geworden, haett‘ ich gewiß meinen Spaß daran, in andere Rollen zu schlüpfen. Aber hier in Berlin fühlt es dich nicht richtig an und ich bin auch nicht gewillt, mit einem Kostüm durch die Stadt zu juckeln. Faend‘ ich peinlich!

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    • breakpoint schreibt:

      Ich bin damit aufgewachsen.
      Und da war es gar nicht förderlich, immer wieder Aussagen zu hören wie (von mir ins Hochdeutsche übersetzt): „Wer nicht wenigstens an Fasching ein Narr ist, ist das ganze Jahr über einer.“

      Das einzig gute waren noch die Krapfen.

      Bleibt man in Berlin tatsächlich davon verschont?

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  4. engywuck schreibt:

    einfach eine rote Nase aufsetzen, das muss reichen. Notfalls irgendwas behaupten, was es darstellen soll.

    Alternativ wie einer, der bei einer entsprechenden Feier im Studentenwohnheim als Bushaltestelle auftauchte: er hatte sich den Fahrplan der nächsten Haltestelle ausgedruckt, auf Karton geklebt, roter Rand außenrum (Isolierband oder sowas) und um den Hals gehängt.
    War für einige, die mit dem Bus heimwollten, sogar ganz praktisch 🙂

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  5. ednong schreibt:

    LOL – na dann tippe ich mal, dass du heute abend mit ihm unterwegs sein wirst. Natürlich nur für eine Gegenleistung seinerseits, versteht sich.

    Viel Spaß dann.

    Gott sei Dank ist das hier keine Faschingshochburg. Man kann problemlos am Rosenmontag und Aschermittwoch einkaufen. Nur das Mitarbeiten für die faulenze Bevoelkerung in den Hochburgen – also das würd ich gern extra bezahlt bekommen …

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