Achthundertachtundfünfzig

Warnung: Dieses Blog hat ein neues Tiefstniveau erreicht. Ich habe fast das ganze Wochenende über geschwankt, ob ich das überhaupt veröffentlichen soll. Aber jetzt erst recht! Weiterlesen also auf eigene Gefahr.
Für alle Erstleser: Dies ist ein völlig atypischer Blogbeitrag. Bitte nicht auf die anderen Posts extrapolieren und verallgemeinern.

Wieder mal waren wir abends von Geschäftsfreunden eingeladen worden. Ich gehe da ja ohnehin nicht gerne hin, wo von mir erwartet wird, dass ich mich da mit fremden Leuten über irgendwelche Themen unterhalte, die mich überhaupt nicht interessieren. Immerhin ist das Essen meistens gut. Nur derzeit habe ich eh keinen Appetit. Also sagte ich Carsten, dass ich keine Lust hätte mitzugehen. Das Gespräch bewegte sich dann vom ursprünglichen Thema weg.

„Zieh‘ dir ‚was warmes an, wenn wir nachher losfahren.“
„Hab‘ keine Lust, da hin zu gehen.“
„Du warst doch einverstanden, als ich dir den Termin genannt habe.“
„Ich habe ihn lediglich zur Kenntnis genommen, aber nicht zugestimmt.“
„Sonst haben wir es immer so gehandhabt, dass ich dir diese Einladungen angekündigt habe, und du bist dann mitgekommen.“
„Daraus darfst du aber kein Gewohnheitsrecht herleiten.“
„OK. Wenn du nicht hin willst, dann bleiben wir eben da. Du hättest mir das aber wirklich schon früher mitteilen können.“
Er war offenbar ärgerlich, aber ich sah keine Veranlassung, mich zu rechtfertigen. Er trat näher zu mir heran, und schaute mich an.
„Was ist los mit dir? So kann das nicht mehr weitergehen. Du bist ja nur noch ein Schatten deiner selbst.“
„Schon möglich.“
„Ich habe dich auch schon so lange nicht mehr lachen sehen.“
„Kann sein.“ Ich habe eben zur Zeit nicht so viel zu lachen.
„Und wo ist das Leuchten in deinen Augen geblieben?“
Ich zuckte die Schultern.
„Verdammt, Anny! Was ist los mit dir?“
„Nichts. Gar nichts.“ Was hätte ich sonst sagen sollen? „Das ist die Jahreszeit“, fügte ich hinzu.
Er hielt mich an den Oberarmen, und versuchte mir in die Augen zu sehen. Ich hatte aber keine Lust dazu.
„Anny, ich will nicht, dass du krank wirst. Nicht schon wieder.“
„Klar!“ Einen gewissen Sarkasmus konnte ich nicht unterdrücken, den er aber wohl bemerkte.
„Was willst du damit sagen?“
Ich riss mich los. „Überhaupt nichts.“
„Anny, was soll das? Du weißt doch, wie wichtig du mir bist.“
„Ja, sicher doch.“
„Du bist immer noch verärgert wegen dieser bedeutungslosen Sache in diesem Club, oder?“
„Ich bin nicht verärgert.“ Und ich habe ihm auch nie deswegen Vorwürfe gemacht.
„Aber du bist verletzt, hast es nicht verwunden. Es belastet dich und hat sich auf deinen Magen und deine Psyche geschlagen.“
„Und wenn schon.“
„Verdammt, das war gar nichts. Ich war noch wund. Mir war es unangenehm. Es hat sogar weh getan. Diese überparfümierte, schwabbelige Frau mit ihren gefärbten Haaren – Anny, lass dir das doch nicht so nahe gehen.“
„War ja nahe genug bei dir!“
„Anny, Samtpfötchen ..!“
Ich spürte, wie mir die Tränen heiß in die Augen schossen, und wollte mich abwenden, aber er zog mich näher zu sich, und schloss mich in die Arme.

Bevor es noch schmalziger und groschenheftig wird, breche ich ab.
Aber irgendwie scheint es mir nach dieser Entladung jetzt tatsächlich besser zu gehen. Jedenfalls habe ich seither wieder besseren Appetit, und fühle mich auch wieder wohler.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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41 Antworten zu Achthundertachtundfünfzig

  1. Floh schreibt:

    Na hoffentlich ist es jetzt raus! Du solltest wirklich verzeihen, sonst wird es immer schlimmer. Oder bist eine Minuspunktesammlerin, die nicht vergessen kann?

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    • breakpoint schreibt:

      Der Druck scheint tatsächlich weg zu sein, und ich bin nicht nachtragend.

      Wir haben uns am Wochenende viel Zeit füreinander genommen.
      In unsere Beziehung war doch eine gewisse Routine gekommen. Jetzt sehen wir uns wieder als etwas besonderes und nicht als selbstverständlich.

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  2. baerlinerinn schreibt:

    …oh, da hatte also doch einer deiner Leser hier vor Tagen Recht, als er meinte, die Appetitlosigkeit hinge noch mit dieser Clubsache zusammen. Und du lagst falsch, dass dir so etwas nicht nahe ginge. – Keiner war dabei. Ich hoffe dennoch, dein Mann weiss zu schaetzen, was er an dir hat und tut dir so etwas nicht noch einmal an! Es sei denn, ihr habt beide euren Spass…

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    • breakpoint schreibt:

      Naja, es ist wohl doch ein Unterschied, was man rational akzeptieren kann, und wo das Unterbewusstsein einem mitreinpfuscht.
      Ich glaube aber wirklich, dass ich das jetzt überstanden habe.
      Carsten hat mir gezeigt, wie sehr ihm an mir liegt.
      Also Schwamm drüber.

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  3. schaum schreibt:

    so was steckt man nicht einfach weg und es nagt. wenn es aber ausgsprochen ist, mag es schneller heilen. das wünsche ich dir.

    es schäumt aberetwaszeit

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  4. Molly schreibt:

    „Warnung: Dieses Blog hat ein neues Tiefstniveau erreicht.“ – Wie kommst Du denn darauf? Ich mag den Beitrag, er ist wunderbar authentisch geschrieben, wenn auch inhaltlich schmerzhaft. Nix Tiefstniveau! 🙂

    Captcha stimmt zu: public good

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  5. aliasnimue schreibt:

    Ich kenne das gut, dass wenn mich Dinge verletzen, ich das erst später wirklich anschauen, zulassen und rauslassen kann. Dann verarbeite ich erst rational (ich wirke dann auch erst sehr verständig) und es kommt dann irgendwann doch zum Ausbruch.
    Oft reicht dann eine Kleinigkeit, die dazu kommt.
    Also versuche ich mehr auf mich und meine Grenzen zu achten, Dinge zeitnaher anzusprechen. Nicht mehr so „hart“ und so vernünftig zu sein.
    Fällt mir aber immer noch schwer.

    Es ist dieser Unterschied zwischen Verstand und Herz…der Kopf sagt: das ist doch alles nachvollziehbar, wegen sowas mach ich doch keinen Aufstand und doch ist eine Verletzung da. Also versucht man es unter den Teppich zu kehren. Nur bleibt dann dort ein Hügel, über den man jederzeit stolpern kann und kommt aus dem Gleichgewicht.

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    • breakpoint schreibt:

      Ja, du verstehst gut, wie es mir ging.

      Normalerweise habe ich ja dieses Dilemma ganz gut im Griff, aber diesmal hat’s mich ziemlich erwischt. Ich werde wohl alt und sentimental. :-/

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      • aliasnimue schreibt:

        Nicht alt und sentimental, sondern in der Lage sein Nähe zuzulassen.
        Was ich oben beschrieben habe ist ein sehr kontrolliertes Verhalten, was in einer Beziehung Distanz schafft, obwohl man das gar nicht so möchte.
        Da braucht es viel Vertrauen um „weich“ zu sein.

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        • breakpoint schreibt:

          Das passt schon, weil Carsten im Grunde genauso tickt.

          Wir gehören nicht zu den Paaren, die sich gegenseitig ständig ihrer Gefühle versichern müssen.
          Das würde uns beide schon sehr schnell nur noch nerven.

          Dieser Ausbruch war eine Ausnahme, und dabei soll es (möglichst lange) bleiben.

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          • aliasnimue schreibt:

            Das hat damit nichts zu tun.
            Aber es zu erklären ist schwierig.
            Nur als Beispiel:
            Weil Du Dich verletzlich gezeigt hast, konnte Carsten auch damit umgehen und so wieder Nähe zwischen Euch herstellen.
            Verstehst Du, was ich damit meine?

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            • breakpoint schreibt:

              Willst du sagen, dass er nur deshalb eine Chance hatte, die Angelegenheit zu bereinigen, weil ich in Tränen ausgebrochen bin?

              Mag ja sein, dass es so war.
              Vielleicht hätte ich sonst tatsächlich die ganze Sache weiter in mich hineingefressen.
              Aber vielleicht hätte ich es auch alleine überwunden. Hätte nur noch etwas gedauert.

              Körperliche Nähe – falls du das meintest – praktizierten wir nahezu unverändert weiter.

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            • aliasnimue schreibt:

              „Willst du sagen, dass er nur deshalb eine Chance hatte, die Angelegenheit zu bereinigen, weil ich in Tränen ausgebrochen bin?“
              Wenn er Deine Verletztheit an den Tränen erkannt hat, dann ja.

              Männer, egal wie klug, können nun mal nicht hellsehen. Und wenn für sie Dinge besprochen und geregelt sind, dann ist die Sache auch vom Tisch. Das ihnen dabei wesentliche Informationen vorenthalten wurden, damit rechnen sie nicht.

              Ich meinte emotionale Nähe. Das andere kann ich mit 3 Buchstaben ausdrücken. ;D

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            • breakpoint schreibt:

              Ihm war wohl schon klar, dass da noch ein offener (wunder) Punkt war.
              Er hat sich in dieser Zeit nämlich wieder von seiner besten Seite gezeigt, und sich um mich bemüht. Der Konzertbesuch mit anschließendem Candle Light Dinner war nur das bemerkenswerteste Beispiel. Auch hat er – sonst nie! – im Büro von sich aus Körperkontakt gesucht.

              Ich wollte diese Sache ja auch vom Tisch haben, nur ist es mir nie ganz gelungen, sie erfolgreich zu verdrängen.
              Wenn ich immer wieder angefangen hätte, mit ihm darüber zu reden, hätte das IMHO nichts gebracht. Vermutlich hätte das die Fronten eher verhärtet statt geklärt.

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            • aliasnimue schreibt:

              Obwohl ich denke, dass es eine andere Facette ist. Das eine ist ein schlechtes Gewissen, das andere Mitgefühl – sehr wertvoll.
              Andauerndes drüber reden hilft nicht wirklich. Man bekommt es kaum hin, dass es nicht wie ein ständiger Vorwurf wirkt.

              Im Grunde habt ihr alles richtig gemacht.

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            • breakpoint schreibt:

              Inwieweit das jetzt schlechtes Gewissen oder Mitgefühl war, will ich nicht beurteilen.
              Jedenfalls war es mir ein bisschen unheimlich, wie fürsorglich und liebevoll er plötzlich war – fast ein Fremder.

              Ich wollte ihm ja keine Vorwürfe machen, habe aber auch gesschwiegen, weil ich selbst nicht drüber reden wollte.

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            • aliasnimue schreibt:

              Das was sich leicht befremdlich anfühlt ist schlechtes Gewissen und was einem gut tut ist Mitgefühl. 🙂

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  6. Leser schreibt:

    Ich stimme Molly zu, es ist nichts verkehrtes an diesem Beitrag.

    Bloß ein wenig bemerkenswert, dass Du einmal bemerkt hast, Du hast Emotionen. Und die haben auch ein Recht, beachtet zu werden, oder sie fordern ihr Recht ein – und das dürfen sie auch. Alles in sich hineinfressen wie ein Vulkanier geht nicht – zumal selbst diese fiktive Spezies ausgiebige Kompensationstechniken (Meditation) nutzt. Und so wie zu einem gesunden Körper ein gesunder Geist gehört, gehört zu einem gesunden Geist nicht nur eine gesunde Vernunft, sondern auch ein ausgeglichenes Emotionalleben. Wer das missachtet, der wird krank – so ist es tatsächlich.

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    • breakpoint schreibt:

      Klar hab ich Emotionen. Ich bin ja keine Maschine.
      Bloß kann ich sonst besser damit umgehen und die steuern.
      Ich mag es gar nicht, wenn Gefühle die Kontrolle übernehmen wollen.

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      • Leser schreibt:

        Es ist eine Illusion, dass man mit dem Verstand beeinflussen könnte, welche Gefühle man empfindet.
        Wenn man es auf die Weise versucht, landet man des öfteren mal in solchen Sackgassen, wie Du bis zu dem im Blogeintrag beschriebenen „Ausbruch“. Der war gut und sollte Dein Vertrauen in Deinen Mann dahingehend stärken, dass Du ihm gegenüber Emotionen zulassen kannst, auch wenn Du sie selbst vielleicht gar nicht haben magst.

        Der einzige andere Weg daraus ist nicht leicht, denn er funktioniert über das absolute Bewusstsein des „Jetzt-Moments“, inklusive (wertfreien) Beobachtens der eigenen Gedanken (zusätzlich zu den Emotionen), und des Beobachtens des Beobachters der Gedanken und Emotionen, kurz gesagt, Du müsstest sowas wie ein Buddha werden 😉

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        • breakpoint schreibt:

          Diese „Gefühle“, wie du es nennst, waren überhaupt nicht objektiv gerechtfertigt.
          Insofern war es nur logisch, dass ich sie nicht zulassen wollte.

          Für einen Buddha habe ich wohl nicht die richtige körperliche Statur.

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          • Leser schreibt:

            Und genau das ist das Problem: Gefühlen ist es, auf Deutsch gesagt, mal eben gepflegt völlig scheißegal, ob sie objektiv gerechtfertigt sind, oder nicht.

            Während ich die Existenz einer Objektivität grundsätzlich anzweifle, so ist es bei Emotionen jedoch nicht mal mehr zweifelhaft, dass diese absolut subjektiv sind. Das heißt, wenn sie da sind, egal wie richtig oder falsch man das findet, dann wollen, müssen sie beachtet werden. Oder es folgt Krankheit, wie Du gerade selbst erleben durftest.

            Und natürlich hat die von mir zuvor implizierte „Erleuchtung“ nichts mit dem BMI zu tun, ebensowenig wie mit Candela, Lux oder Lumen. Wobei das Wort eigentlich sowieso schon wieder viel zu abgelutscht ist, um es noch benutzen zu können, ohne Gefahr zu laufen, gründlich missverstanden oder gleich für ein verrückter Eso-Spinner gehalten zu werden, und ich es deshalb nicht gerne nutze. Mir fällt nur gerade keine treffendere Umschreibung ein, ach, lies halt einfach das, was ich zuvor geschrieben habe… 😉

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  7. plietschejung schreibt:

    Ich hab’s geahnt. Das überascht mich nicht.
    Weiter möchte ich es nicht kommentieren.

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  8. idgie13 schreibt:

    Ich find überhaupt nicht, dass das hier Tiefstniveau hat. Im Gegenteil: es zeigt Deine menschliche Seite und macht Dich sehr sympathisch.

    Ehrlicherweise finde ich es auch gut, dass Carsten mitbekommen hat, dass das halt nicht unter Kavaliersdelikt fällt und mit einem teuren Abendessen wieder ausgebügelt ist.

    Wenn ihr euch nach der Aktion wieder mehr Wert schätzt, ist das doch ein angenehmer Nebeneffekt und es war nicht ganz „umsonst“.

    Mir würde das Verzeihen sehr schwer fallen und es würde auch relativ lang dauern – und das obwohl ich grössere Probleme mit der Treue hab als er… 😳

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    • breakpoint schreibt:

      Naja, ich habe mich hier teilweise selbst nicht wiedererkannt.
      Eigentlich sehe ich Themen wie Treue ja recht locker. Loyalität ist wichtiger.
      Und wenn mir selbst mal ein Ausrutscher passieren würde (was ich nicht ausschließen kann), weiß ich, dass das völlig unabhängig und losgelöst von der Beziehung wäre, sondern nur mal Abwechslung und als solche völlig unbedeutend.
      Offenbar messe ich mit zweierlei Maß. 😦

      Ich wüsste wirklich nicht, was ich Carsten objektiv vorwerfen könnte. Der BJ war unerwünscht, und er hat ihn gleich unterbunden. Es gibt also nicht zu verzeihen.
      Trotzdem hat es mich irgendwie belastet. Unsere Beziehung erschien mir „kontaminiert“ (mir fällt gerade kein treffenderes Wort ein).

      Nach diesem „reinigenden Gewitter“ ist uns jetzt wohl beiden wieder ins Bewusstsein gerückt, was wir aneinander haben.

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  9. Uschi-DWT schreibt:

    Ich finde es nicht so schlimm mit diesem Beitrag, denn schließlich sind es ja deine täglichen Erlebnisse, die du hier mit uns allen teilst.

    Und so ganz konnte ich nicht glauben, dass die Sache mit dem Barbesuch bereits völlig vom Tisch ist.

    Da finde ich ein offenes klärendes Gespräch schon um vieles besser und auch Männer haben da manchmal ein Gefühl dafür, wenn etwas nicht so ganz stimmt.

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  10. ednong schreibt:

    Dann ist also auch der emotionale Gordische Knoten geplatzt. Gut so.

    Captcha: my beating heart

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  11. W2013 schreibt:

    Alles wieder gut?

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  12. Bellona schreibt:

    auch ich halte diesen eintrag nicht für schmarrn, ich finde ihn sehr menschlich und freue mich dass du dich in gewisser weise geöffnet hast. und es dir offenbar nun auch besser geht. 🙂

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    • breakpoint schreibt:

      Ja, mir geht es wieder gut.
      In gewisser Weise hatte diese ganze Angelegenheit auch etwas gutes: Wir verbringen unsere Zeit wieder bewusster miteinander, und er vermeidet Körperkontakt am Arbeitsplatz nicht mehr so strikt.

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