Siebenhundertsechzehn

Pfingsten ist vorüber und somit auch Fiona’s Besuch.
Ihre Anwesenheit verlief glücklicherweise weitgehend unspektakulär. Da sie alleine war, verhielt sie sich meist auch recht ruhig und unauffällig.
Ich habe wirklich versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen, aber auf alle meine Fragen nach ihrem Studium etc. antwortete sie nur einsilbig oder ausweichend.

Dann wollte Fiona unbedingt auf ein Volksfest, so dass Carsten und ich schließlich am Sonntag Nachmittag trotz mörderischer Hitze mit ihr hinfuhren.
Sie hatte sich – IMHO hierzulande völlig unpassend – ein Dirndl angezogen. Ich dagegen trug einen kurzen Jeansrock und ein kurzärmeliges Top. Auch Carsten war in Jeans und T-Shirt unterwegs.

Dass es voll werden würde, war uns klar gewesen. Ich halte es nicht für ein Vergnügen, mich durch Menschenmassen zu drängen. Abends ist es hier unerträglich.
Wir liefen also zunächst Eis essend das ganze Gelände entlang. Fiona wollte in mehrere Fahrgeschäfte. Aber mich kriegt nichts in etwas hinein, bei dem die dritte Ableitung des Ortes nach der Zeit solch extrem große Werte annimmt. Auch Carsten verzichtete. Nur im Riesenrad fuhren wir zu dritt.
Es war schwierig, in einem der Biergärten einen Platz für uns drei zu finden. Schließlich fanden wir doch einen Tisch, an den wir uns – ziemlich beengt – mitdazuquetschen konnten.
Wir aßen alle zusammen eine Brezel. Carsten und ich teilten uns eine Maß, während Fiona Limonade trank.
Da am gleichen Tisch Leute rauchten und uns so die Atemluft verpesteten, beeilten wir uns, fertig zu werden.

Fiona hatte sich für den Abend noch mit einer Schulfreundin in der Stadt verabredet. Carsten und ich verbrachten den Abend in der Wohnung und fuhren dann gegen elf zusammen mit Fiona zum Landhaus zurück.

Am Montag kochte Fiona dann das Mittagessen für uns (und ließ die Küche in einem Zustand mit stark erhöhter Entropie zurück).
Ich frage mich, ob sie wusste, dass ich keine rohen Tomaten, Spargel, Pilze und Rosinen mag. Und dass ich fettes Geflügelfleisch nicht vertrage. Oder ob es Zufall war, dass keines ihrer Gerichte ohne wenigstens eine dieser Zutaten auskam.

Wieauchimmer, bald nach dem Essen reiste Fiona ab. Carsten brachte sie noch zum Bahnhof.
Danach blieben uns wenigstens noch ein paar ungestörte, heiße Stunden, und eine der hierzulande seltenen Outdoor-geeigneten Nächte.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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21 Antworten zu Siebenhundertsechzehn

  1. aliasnimue schreibt:

    Klingt doch nach einem ganz normalen, patenten Mädel.

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    • breakpoint schreibt:

      Das liest du aus meinem Eintrag?
      Naja, hätte schlimmer kommen können.

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      • sweetsurrender schreibt:

        Was hätte sie, ausser die Küche wieder aufräumen, denn ansonsten richtiger machen sollen?
        War doch eine nette Geste von ihr zu kochen.
        Schließlich zahlt Papa doch sonst für alles.
        Das Misstrauen gegenüber Dir wird sich sicher auch mit der Zeit legen.

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        • breakpoint schreibt:

          Es hätte mich gefreut, wenn sie wenigstens ein bisschen auf meine Gesprächsangebote eingegangen wäre – und sei’s nur ihrem Vater zuliebe.
          Ich habe so viele Themen angesprochen (ihr Studium, Stadt, wo sie wohnt, ihre Wohnung, Stricken, Schwimmen, Musik, Literatur, ihr Lieblingsland, ..).
          Wenn sie nur ein bisschen guten Willen gezeigt hätte, hätten wir sicher ein gemeinsames Thema finden können.

          Möglicherweise bilde ich mir das nur ein, aber ihre Menüwahl (Gazpacho, Enten-Champignon-Frikassee mit Spargelreis, und eine seltsame Creme, deren Aufgabe nur darin bestand, die Rosinen zusammenzuhalten) widersprach dermaßen meinem Geschmack, dass ich es nicht unterlassen kann, ihr dabei eine Absicht zu unterstellen.
          Du kennst dich doch mit Kochen aus. Kann das noch Zufall sein?

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          • aliasnimue schreibt:

            Hört sich alles nach viel Mühe an.
            Ich glaube kaum, dass sich jemand soviel Arbeit macht um Dich zu ärgern.
            Sie hat sicher große Schwierigkeiten Dich als die neue Frau an ihres Vaters Seite zu akzeptieren. Gerade weil Du so ganz anders bist als ihre Mutter. Und da ist es egal, ob sie 20 ist oder 50. Kind bleibt Kind.
            Hab Geduld. Und mach auch mal einen deutlichen Schritt auf sie zu, lade sie ein. Zeig ihr, dass sie Dir willkommen ist.
            Finde heraus, was sie gerne mag. Und wenn sie eben zum Frühstück gerne xy isst, dann kauf das für sie ein, wenn sie kommt. Ein bisschen Mühe schadet da nicht. Das zeigt, dass Du aufmerksam gegenüber ihr ist und sie wertschätzt.
            Ich denke, ich liege nicht ganz falsch, dass Du eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber ihr und ihrer Schwester hast. Sowas kann man nicht verbergen.
            Keiner wird verlangen, dass Du seine Kinder lieben sollst. Aber es sollte Dir gelingen sie zu mögen.
            Wobei Du als „Stiefmutter“ in der Rolle bist auf die Mädels zuzugehen.
            Alleine Deine Beziehung zu Carsten sollte Dir das wert sein.

            Wenn ich mir vorstelle, dass mein Partner meine Kinder nicht mag, wäre das schon sehr schwierig.
            Jetzt sind sie ja bei ihm schon aus dem Haus. Aber wären sie das nicht, wäre es auch bei aller Liebe ein Trennungsgrund.
            Denn Kinder sind ein untrennbarer Teil der Eltern. Lehnt jemand mein Kind ab, lehnt er also damit auch mich ab.
            Kinder kommen zuerst. Ohne wenn und aber.

            Und fürs nächste Wochenende mit dem Enkel:
            besorg was nettes zum spielen, womit sich das Kind beschäftigen kann. Das muß gar nichts dolles sein.

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            • breakpoint schreibt:

              Wenn du das so sagst ..

              Ich habe durchaus versucht, mit ihr auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen – obwohl es mich zugegebenermaßen Überwindung gekostet hat.

              Ihre Lieblingsspeisen waren alle vorrätig. Dafür sorgt schon die Haushälterin.
              Kinderspielzeug ist auch vorhanden.

              Ach ..

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  2. Murgs schreibt:

    Die Erhöhung der Entropie im Raum Küche in Anwesenheit des Katalysators „Tochter“ ist zwangsläufig, aber unabhängig von der Tätigkeit „Kochen“. Wobei Ergebnis des Letzteren nicht automatisch „geschmackvoll“ ist, meist aber „nahrhaft“ sprich kalorienreich.
    😉

    Bei allen Kritikpunkten lief das verlängerte Wochenende in der Bilanz doch ganz gut.
    Fiona ist sicherlich verunsichert und wohl auch überfordert – und Du kannst da nur sehr vorsichtig mitmischen. Stiefmutter ist nie ein Traumjob. Für niemanden.

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    • breakpoint schreibt:

      Die Formulierung mit der Entropie sollte ein Euphemismus dafür sein, dass sie in der Küche ein ziemliches Chaos zurückließ.
      IMHO gehört zum Kochen auch, dass man die Küche danach wieder aufräumt und (zumindest halbwegs) in den Originalzustand zurückversetzt.
      Das wäre mir zumindest eine Selbstverständlichkeit – wenn ich denn kochen würde.

      Im Vergleich zu Ostern ist das Wochenende super gelaufen.
      Trotzdem könnte ich gerne auf jedwede Wiederholung verzichten.

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  3. plietschejung schreibt:

    Na endlich !
    Geschafft !!

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  4. ednong schreibt:

    Klingt nach einem vollen Erfolg 😉

    Captcha: attila the hun 😀

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  5. Leser schreibt:

    Schwierig einzuschätzen, ohne die beteiligten Personen zu kennen. Ich würde mal vermuten, dass die Tochter ihre neue Stiefmutter ablehnen will. Du bist nun auch nicht gerade jemand, der beim ersten Kennenlerntreffen freudestrahlend auf eine dir noch völlig unbekannte Stieftochter zugehen und sie umarmen würde, also das Gegenteil(?) von herzlich – was kein Vorwurf ist, sondern als wertfreie Feststellung gemeint.
    Daher hat sie es auch eher leicht, ihre Ablehnung unterschwellig zu zeigen, ohne sie direkt erwähnen zu müssen. Ich würde jedoch bei weiteren Treffen – vorausgesetzt, das Umfeld bietet genügend Freiraum für eine anschließende Aussprache – darauf hin arbeiten, dass es genau dazu kommt. Denn nur wenn da mit offenen Karten gespielt wird, kann sich ein Verhältnis bessern. Und sei es, dass Du irgendwann bei passender Gelegenheit eine Bemerkung fallen lässt wie: „Sag mal, ich hab das Gefühl Du kannst mich nicht leiden. Warum ist das so, und was könnte ich tun, um das zu ändern?“ – Kann aber auch sein, dass es zu Scherben, Tränen oder lautem Stimmgebrauch führt. Aber erst dann wird eine Möglichkeit bestehen, falsche Vorurteile, Gerüchte und ähnliches über Dich aus der Welt zu schaffen. Wenn so eine Abneigung bereits verfestigt ist, dann kann es halt sein, dass es erst eine befreiende „Explosion“ braucht, um den ganzen Kram klarzustellen – einerseits hätte dieses Wochenende dafür eine perfekte Gelegenheit geboten, andererseits weiß ich auch nicht, ob Dein Empathielevel dazu ausreicht, um in so einer Situation auch derart zu reagieren, dass es nicht – statt zur Aussprache und Klärung – nur zu noch verhärteteren Fronten führt…

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    • breakpoint schreibt:

      Eine Aussprache, wie du sie vorschlägst, ist einfach nicht mein Stil. Das bin nicht ich. Das passt nicht zu mir.
      Ich warte lieber ab (und leide ggf. still vor mich hin).

      Außerdem will ich auch Carsten nicht zwingen, Position zu beziehen, was er müsste, wenn ich mit seiner Tochter solch ein Gespräch hätte.

      Nee, ich lasse das jetzt so auf sich beruhen, und tröste mich mit dem Gedanken, dass ich nur selten persönlichen Kontakt mit ihr haben werde.

      Danke für deinen Vorschlag. Ich weiß, du meinst es gut, aber danke nein.

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      • Leser schreibt:

        Oh…kay? Das ist mir unverständlich…wirklich, ich meine ganz ehrlich unverständlich, wie man so eine Situation, die immer bei jedem Kontakt so voller Spannung sein wird, einfach nur aussitzen kann…

        Entweder, Du bist sehr leidensfähig, oder Du wirst irgendwann sehr krank werden. Oder beides…

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        • breakpoint schreibt:

          Manche Probleme lösen sich auch von allein – warum sich unnötig deshalb verrückt machen?
          Ich sehe wirklich keinen Handlungsbedarf, und gehe davon aus, dass sich die Situation im Laufe der Zeit schon entspannen wird.
          Falls nicht .. tja, dann könnte ich als ultima ratio immer noch auf deinen Vorschlag zurückkommen.

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      • Leser schreibt:

        Nachtrag: Ich meine, sowas von Unverständlich, wie jemand, der sich gerade die Hand in einer Säge abgehackt hat, und dann meint: „Nee, ich geh nicht zum Arzt!“ (oder etwas vergleichbares).
        Also, so *richtig* unverständlich!
        Auch bei nur seltenem Kontakt.
        Wie kann man so leben?!?
        Müsste man dafür nicht völlig abgestumpft sein??

        Captcha rät mir auch: question everything

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