Sechshundert

Kathrin hatte mich um ein privates Gespräch gebeten. Ich hatte eh vorgehabt, mit ihr mal wieder einen Kaffee trinken zu gehen und schlug vor, dies nach Feierabend zusammen zu unternehmen, womit sie einverstanden war.
Sie hatte in letzter Zeit auf mich einen ziemlich unausgeglichenen Eindruck gemacht, und ich sollte bald die Ursache dafür erfahren.

Zuerst stammelte sie nur herum: „Ach, ich weiß nicht mehr, was ich machen soll!“
Auf meine Ermahnung hin, doch etwas konkreter zu werden, rückte sie dann mit ihrer Geschichte heraus: „Du erinnerst dich doch bestimmt noch an Raimund ..“
Ich schüttelte den Kopf: „Der Name sagt mir nichts.“
„Der Consultant, der vor ein paar Monaten bei uns war.“
Vage erinnerte ich mich an das Männlein, das mit seinen Vorschlägen und Empfehlungen bei uns ziemlich gescheitert war.
„Ach so. Was ist mit dem?“
„Äh, also, er wollte ja gleich mit mir essen gehen. Er hat mich immer wieder gefragt und mich eingeladen, bis ich irgendwann ja gesagt habe.“
„Schön für ihn. Und was weiter?“
„Tja, hm, wir waren also zusammen essen, und ich weiß selber nicht genau, wie es geschehen ist. Er hat immer wieder Wein nachgeschenkt, und äh, irgendwann waren wir dann in seinem Hotelzimmer und ..“

Sie sprach nicht mehr weiter. Hätte ich überrascht sein sollen? Ich war es nicht. Schließlich fuhr sie fort: „Wir haben uns später noch ein paarmal getroffen. Immer wenn er hier in der Gegend zu tun hatte.“
„Du hast also eine Affäre mit ihm?“
„Ja. Nein. Ich meine, er hat mir jetzt gesagt, dass es vorbei ist, weil er verheiratet ist und seine Frau krank.“ Die üblichen Ausreden halt.
„So wie ich dich verstehe, willst du nicht, dass es aus ist.“
Sie seufzte auf: „Nein, will ich nicht. Er .. er war .. er hat Dinge mit mir gemacht, die .. äh .. “
„Und was ist mit Johnny?“
„Ich liebe Johnny. Aber im Bett .. naja … ich hatte solchen Spaß mit Raimund. Das hätte ich vorher nie gedacht.“ Puterrot hielt sie inne.

„Warum erzählst du mir eigentlich das alles?“
„Ich habe doch sonst niemanden, mit dem ich über sowas reden könnte.“ Fast brach sie in Tränen aus.
„Schon OK. Ich war nur etwas überrascht. Was hast du jetzt vor?“
„Ich .. ich weiß nicht. Und das schlimmste weißt du noch gar nicht.“

Ich schaute sie fragend an, bevor es aus ihr herausplatzte: „Ich bin vielleicht schwanger.“
Ich gebe zu, dass mein erster Gedanke war: „Oh je, wenn sie in Mutterschaft geht, ist das Vorzimmer wieder nur halb besetzt!“
Laut fragte ich: „Was heißt ‚vielleicht‘?“
„Naja, meine Tage sind noch nicht gekommen.“
„Wie lange bist du schon überfällig?“
„Seit Samstag. Aber meine Periode ist ziemlich unregelmäßig. Vielleicht kommt’s noch.“
„Hast du schon mit Johnny darüber geredet?“
„Ach“, und jetzt erschien sie absolut niedergeschlagen, „Johnny hatte doch als Kind diese Krankheit. Und er kann keine Kinder zeugen.“

Uff. Ich schlug ihr vor, erst noch ein paar Tage abzuwarten und nichts zu unternehmen. Dann werden uns nochmals zusammensetzen und das weitere Vorgehen besprechen.

Falls ich diesen Raimund nochmal in die Finger kriege, kann der sich aber auf was gefasst machen!

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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47 Antworten zu Sechshundert

  1. Leser schreibt:

    Hmm, ich weiß ja nicht, aber finde das alles ziemlich krass. Also, überhaupt und so…

    Aber, gibt es nicht eine Möglichkeit, in den Kreisen „unter Geschäftsführers“ mal anklingen zu lassen, dass besagter Consultant (obwohl verheiratet) die Mitarbeiterinnen abschleppt, möglicherweise sogar schwängert, und dann fallen lässt? So schnell bekommt der dann in dem Bereich sicher keine Aufträge mehr…

    Naja, nur so ein Gedanke.

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  2. schaum schreibt:

    also für mich ein typischer fall für „britt“…….also ganz im ernst, wieder eines dieser „tropis“ o. ä., das nichts dafür kann und dennoch vermutlich mit einer hypothek ins leben startet. ich hoffe, sie hat nochmal glück und lernt daraus!

    es schäumt bittebitte

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    • breakpoint schreibt:

      Jetzt kann ich nur vermuten:
      Ich glaube nicht, dass Kathrin die Pille nimmt. Weshalb sollte sie, wenn doch ihr Johnny zeugungsunfähig ist, und sie sonst keinen intimen Kontakt zu anderen Männern hat?
      Ob „TroKo“ oder was auch immer, weiß ich nicht.

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      • schaum schreibt:

        naja, wer als erwachsene (jedenfalls wohl mindestens volljährige) dame glaubt, fremdgehen zu können ohne wirkungsvoll zu verhüten ist zwar alt, aber nicht reif genug fürs leben…..insofern ging ich von verhütung aus.., sollte das nicht simmen……naja, der gentleman schweigt….

        sorry für eventuele missverständnisse 😉

        es schäumt logischausmeinersicht

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  3. Delicatus schreibt:

    Warum ist der Consultant „schuld“? Gehören doch zwei dazu?

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    • breakpoint schreibt:

      Von Schuld oder nicht ist überhaupt nicht die Rede.

      Offenbar wusste Kathrin nicht, auf was sie sich einlässt, und der Consultant hat das ausgenutzt.

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      • Delicatus schreibt:

        Wie alt ist Kathrin? Ich tippe auf irgendetwas nördlich von 30 und da wusste sie nicht auf was sie sich einlässt? Was hatte sie sich denn gedacht? Und selbst wenn er es beim ersten Mal „ausgenutzt“ haben sollte, dann hätte sie sich nicht noch ein paarmal treffen müssen. Das ganze dann noch ohne Kondom. Da kann man nur sagen, dass sich die richtigen Zwei getroffen haben.

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        • breakpoint schreibt:

          Sie ist Mitte 30, Typ einfaches Mädchen vom Lande.
          Und sie kann Sex nicht von Gefühlen trennen.

          In meinem Blogeintrag sind wohl einige Details untergegangen, vielleicht habe ich mich auch nicht eindeutig ausgedrückt.
          Es muss für ihn offensichtlich gewesen sein, dass sie nicht auf ein unverbindliches Abenteuer aus war.
          Deshalb finde ich es ethisch nicht in Ordnung, dass er sie zu einem Seitensprung animierte, und schon bald darauf wieder fallen ließ.
          Es gibt genügend Frauen, die damit kein Problem hätten, aber Kathrin halt schon.

          Ob sie Kondome benutzt haben, weiß ich nicht.
          Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ein Kondom reißt.

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  4. idgie13 schreibt:

    Dumm gelaufen würde ich sagen …

    Wenn ihr was an Johnny liegt, sollte sie – unabhängig davon ob sie schwanger ist oder nicht – unbedingt das Gespräch mit ihm suchen.

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  5. Gentleritter schreibt:

    Wenn du „Männlein“ sagst, war der wahrscheinlich noch nicht mal besonders attraktiv, oder?

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  6. plietschejung schreibt:

    Ich glaube, Kathrin ist alt genug, das selbst zu verantworten und zu regeln. Raimund den Kopf zu waschen finde ich so gar nicht angebracht. Erstens gehören immer zwei zu einer Affäre und zweitens geht es dich als Arbeitgeber irgendwie auch nichts an. Warum kann er sich auf was gefasst machen ?

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    • breakpoint schreibt:

      Das hat überhaupt nichts mit ‚Arbeitgeber‘ zu tun, den solche Angelegenheiten selbstverständlich nichts angehen würden.

      Kathrin hat meinen Rat und Unterstützung als Freundin gesucht.
      M.E. hat Raimund sich unfair verhalten, weil er die Arglosigkeit von Kathrin ausgenutzt hat, und nachdem er ihr wichtig war, ihr den Laufpass gegeben hat.
      Das ist einfach kein guter Stil, und ich hätte ihm schon gerne mal die Meinung gesagt.

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      • Gentleritter schreibt:

        Außerdem ist der Herr Berater nicht Angestellter, sondern Dienstleister. Kundinnen anzugraben ist einfach kein guter Stil und gehört sich nicht.

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        • breakpoint schreibt:

          Strenggenommen ist aber nicht Kathrin die Kundin, sondern die Bürohilfe/Mitarbeiterin/Angestellte des Kunden.
          Aber das ist gar nicht der Punkt, sondern dass er Kathrin zu etwas verleitet hat, mit dem sie nicht umgehen kann, was er – da bin ich mir ziemlich sicher – schon vorher gewusst hat.

          Kundenmitarbeiterinnen anzubaggern ist vermutlich weniger geschäftsschädigend als das bei der Ehefrau des Kunden zu versuchen.

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          • vires schreibt:

            es gab bei uns sogar schonmal den fall, dass wir einen auftrag abgelehnt haben, weil eine kollegin dort angebaggert wurde im zuge der besprechungen.

            unsere geschäftsführung ist da sehr konsequent.

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            • breakpoint schreibt:

              Ich nehme an, dass ihr keinen Mangel an Aufträgen hattet.

              Wenn ein Auftrag zur Erhaltung des Geschäftsbetriebs überlebensnotwendig ist, sieht das wohl manche Geschäftsführung nicht mehr so konsequent, und könnte beispielsweise diese Mitarbeiterin bitten, doch etwas kundenorientierter und zugänglicher zu sein.

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      • plietschejung schreibt:

        Ok, als Freundin hast du alle Möglichkeiten zu wettern.

        Arglosigkeit ist das Eine, Ausnutzen das Andere. Beide haben sich nicht mit Ruhm bekleckert.

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  7. ednong schreibt:

    Da hat sie also neue Erfahrungen gemacht. Kann dir ja nur zu Gute kommen.

    Unabhängig vom Verhalten der Katze ist das Gespräch mit Johnny empfehlenswert. Obwohl da natürlich auch ein Verlust oder dauerhaftes Vorhalten als Ergebnis enthalten ist.

    Es wird wieder spannend …

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    • breakpoint schreibt:

      Wieso kann das mir zu Gute kommen?

      Ich sehe momentan (noch) keine Notwendigkeit, dass sie mit Johnny spricht.
      Je nach Katzenstatus wird sie aber nicht darum herumkommen.

      „Verhalten“ der Katze?
      Die Crux ist doch, dass die Katze ihren Zustand gar nicht durch ihr eigenes Verhalten beeinflussen kann.

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      • ednong schreibt:

        Puh,
        antworte ich mal der Reihe nach, ist einfacher – und unmissverständlicher 😉

        1. Warum dir zugute?
        Weil sie dann vielleicht eher Verständnis dafür aufbringt, dass es nur Blümchen-Sechs gibt.

        2. Gesprächsnotwendigkeit
        Nicht sofort, war nicht so gedacht von mir. Nur: auf jeden Fall, egal ob die Katze kommt oder nicht.

        3. Verhalten der Katze
        Nun ja, sie kann es nicht durch ihr Verhalten beeinflussen – hat aber dennoch ein solches, was ja dann das Ergebnis eben dessen ist. Und genau das meinte ich.

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  8. breakpoint schreibt:

    SechshundertsechsWie ich es mit Kathrin vereinbart hatte, gingen wir noch einmal nach Feierabend zusammen in ein Café.

    Vielleicht hätte ich die Frage nach der Schwangerschaft erst zurückstellen sollen, denn sie antwortete erst ganz gefasst, dass sich das mittlerweil…

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  9. breakpoint schreibt:

    AchthundertfünfundsechzigVielleicht erinnert sich noch der eine oder andere von euch an den Consultant, den wir letztes Jahr hier hatten. Sein einziger konkreter Vorschlag war es, die Entwicklung teilweise nach Osteuropa oder Indien outzusourcen (Tja, typisch Unternehmensberat…

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