Fünfhunderteinundsiebzig

Gelegentlich besuchen wir eine Veranstaltung, oder sind abends zu einem Geschäftsessen eingeladen, ohne dass ich das jedesmal blogge, oder auch nur twittere.
Manches blogge ich auch mit Zeitversatz. Bei folgendem Erlebnis habe ich länger gezögert, ob ich es überhaupt bloggen soll, aber wie man sieht, tue ich es jetzt doch.

So waren wir vor einiger Zeit bei einem Vortrag mit anschließendem Get-together.
Das Buffet war zwar eher klein, aber mit ansprechenden Speisen.
Während wir uns mit zwei anderen Gästen unterhielten, kam ein älterer Mann daher und sprach Carsten an.
„Hallo Volker“, grüßte Carsten ihn zurück, „wir haben uns ja ewig nicht gesehen. Das ist Anne, meine Frau.“
„Hast du wieder eine Frau gefunden, die du ins Unglück stürzen kannst?“
„Du solltest mit dem Trinken aufhören, damit du wieder klarsiehst!“
Damit zog mich Carsten weg von dem Stehtisch.
„Was war denn das jetzt?“, wollte ich wissen.
„Vergiss es einfach. Er hat ein massives Alkoholproblem.“
„Du kennst ihn?“
„Ja, aber das ist lange her.“
„Erzähl es mir!“
„OK“, seufzte er, „aber nicht hier. Ich erzähl dir alles später daheim.“
Damit war ich für’s erste zufrieden, kam dann aber wieder auf das Thema zurück, als wir postorgasmisch aneinandergeschmiegt im Bett lagen.

Das wäre jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für einen Cliffhanger, aber der Eintrag wird wohl nicht zu lang. Deshalb verzichte ich darauf.

Carsten berichtete: „Ich kenne Volker noch von meinen Studienzeiten. Er war eine Art Kumpel von mir, wir haben öfters etwas zusammen unternommen und teilten einen größeren Bekanntenkreis. Er war dann so halb mit Ingrid liiert.“
„Was heißt ’so halb'“?, unterbrach ich ihn.
„Er wollte wohl, aber Ingrid zögerte noch.“
„Hatten sie Sex miteinander?“, wollte ich wissen.
„Nein, vermutlich nicht.“
„Was meinst du mit ‚vermutlich‘?“
„Damals war noch die Angst vor AIDS allgegenwärtig. Ingrid wäre da viel zu ängstlich gewesen.“
„Ich nehme mal an, dass es damals auch schon Kondome gegeben hat“, meinte ich ironisch.
„Natürlich. Aber Ingrid war nicht der Typ, der sofort mit einem Mann ins Bett springt. Außerdem glaube ich, dass ich sie entjungfert habe.“
„Du ‚glaubst‘? Aber sicher bist du nicht?“
„Nein. Das ist Jahrzehnte her. Und es war jedesmal schwierig bei ihr. Mit dir ist es ja immer unkompliziert, aber mit ihr war es mehr Pflichtübung als Vergnügen. Wie auch immer, Volker hat mir nie verziehen, dass ich Ingrid geheiratet habe. Er hat dann angefangen zu trinken. Die beiden hatten noch längere Zeit Kontakt, bis Volker irgendwann weggezogen ist. Jetzt scheint er wieder hier in der Gegend zu sein. Noch Fragen?“
„Ja. Was sollte das mit dem ‚ins Unglück stürzen‘?“
„Er bildet sich wohl ein, dass ich Ingrid unglücklich gemacht habe. Naja, so ganz unrecht hat er damit vielleicht gar nicht. Aber es war Ingrid’s freie Entscheidung, mich zu heiraten. Dass unsere Ehe nur eine Zweckgemeinschaft war, war ihr immer klar gewesen.“
„Für Ingrid warst du wohl der falsche Mann. Aber für mich bist du der richtige!“
Damit schwang ich mich hoch, so dass ich rittlings auf ihm zu sitzen kam. Er schlang sofort seine Arme um mich und meinte: „Ja, vergiss das nur nie!“

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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27 Antworten zu Fünfhunderteinundsiebzig

  1. Gentleritter schreibt:

    Taschentücher raus! Das Ende ist ja fast wie bei Rosamunde Pilcher.

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  2. Uschi-DWT schreibt:

    Wieso sollte man so etwas nicht bloggen ?

    Ist doch kurzweilig, man muss nicht darüber großartig Nachdenken sondern noch etwas zum schmunzeln zum Schluss. 🙂

    Und die paar sexuellen Andeutungen, da hört / sieht / liest man mehr in einer normalen Tageszeitung. 🙄

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    • breakpoint schreibt:

      Der Grund meines Zögerns war eher, dass die intimen Details dritte Personen betrafen.
      Über mich selbst habe ich schon gelegentlich deutlich offener gebloggt.

      Ich finde den Schluss eigenlich nicht zum Schmunzeln, aber da beuge ich mich dann wohl der Mehrheit. :))

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  3. Gentleritter schreibt:

    ‚“ja, vergiss das nur nie“. Danach ritt ich in den Sonnenuntergang dem Höhepunkt entgegen. Unsere Liebe entflammte eine nie gekannte Leidenschaft!‘

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  4. W2013 schreibt:

    Unkomplizierter Sex – na das ist ja mal ein Kompliment!

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  5. sweetsurrender schreibt:

    Unkompliziert? Dem hätte ich unkompliziert gegeben! :))

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  6. ednong schreibt:

    Und nie vergessen, dass er der richtige für dich ist! Wollen wir mal hoffen, dass es den/das Blog auch noch in 20 Jahren gibt.

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  7. Windmuehle schreibt:

    „Ja, vergiss das nur nie!“ 8|
    Unterschwellig klingt das gehörig nach Ermahnung (Fingerzeig), Vorwurf, Vorahnung, Verlustängsten etc.

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  8. Pingback: Achthundertachtundsiebzig | breakpoint

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