Fünfhundertfünfzig

Nur selten gibt es Meetings, bei denen sämtliche Abteilungsleiter anwesend sind. Normalerweise entscheidet ja der Geschäftsführer allein, ggf. in Abstimmung mit den betroffenen Abteilungsleitern.
Gestern war auch noch der Consultant dabei, den Carsten engagiert hatte. Ein absolut unscheinbares Männlein. Da nützt auch der gutsitzende Anzug nichts.
Es muss schon frustrierend sein, wenn man zwar Vorschläge machen kann, aber die Umsetzung dem Gutdünken der Geschäftsleitung überlassen ist.
Zwar habe ich selbst auch schon desöfteren beraten, aber meine Beratung begrenzt sich auf technische Bereiche. Jedenfalls wurden meine Empfehlungen noch nie derart verrissen (tja, möglicherweise hatte er die Frau seines Kunden etwas zu lüstern angesehen. Das mögen manche Kunden nicht).
Unter anderem schlug er vor, die Softwareentwicklung outzusourcen. Aber das sind jetzt meine Jungs. Um die kümmere ich mich schon selbst. Außerdem ist es wichtig, dass sie direkten Kontakt zu den Geräteentwicklern halten, um die Schnittstellen abzustimmen. Das könnten sie nicht mehr so effektiv, wenn sie in Indien oder Osteuropa sitzen würden.
Dieser Consultant hat eigentlich sogar einen guten Ruf in der Branche und gilt als kompetent. Sonst hätte Carsten ihn ja auch nicht engagiert.

Später am Tag kam ich noch beim Vorzimmer vorbei, wo Kathrin auffallend gutgelaunt vor sich hin werkelte.
Sie sprudelte gleich heraus: „Dieser Consultant, das ist aber mal ein netter Mann. Der behandelt einen nicht so von obenherab.“
Ich verkniff mir die Feststellung, dass es mit (geschätzten) 1.75m keine Kunst ist, „nicht von obenherab“ zu sein.
Sie erzählte weiter: „Er hat sich so freundlich und charmant mit mir unterhalten. Und stell dir vor, er wollte mich sogar zum Abendessen einladen!“
Nicht sonderlich interessiert fragte ich zurück: „Und, hast du angenommen?“
„Natürlich nicht!“, tat sie entrüstet, „ich bin doch mit Johnny zusammen. Aber für dich wäre er doch ein toller Mann. OK, er ist ein bisschen kleiner, aber darauf kommt es doch nicht an. So attraktiv wie er sonst ist ..“
„Du vergisst, dass ich bereits glücklich verheiratet bin“, entgegnete ich sehr kühl.
„So wie du da behandelt wirst, kannst du gar nicht glücklich sein“, behauptete sie überzeugt.
Ich atmete tief durch. Zum wiederholten Mal nahm ein Gespräch mit Kathrin diese Wendung. Sie kapiert es einfach nicht, dass mein Mann für mich perfekt ist, und ich gar keinen anderen will. Diesen schleimigen Typen von Consultant gleich gar nicht.
„Und du reagierst immer so gereizt“, fuhr sie fort, „wenn ich das Thema anschneide. Dabei hast du dauernd blaue Flecken oder Beulen. ..“
Typisch, dass ihr jede noch so kleine Schramme auffällt, aber wenn Carsten mal Kratzer hat, das bemerkt sie nicht.
Mir war es zu blöd, das Gespräch fortzusetzen, und ich ließ sie einfach stehen.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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30 Antworten zu Fünfhundertfünfzig

  1. sweetsurrender schreibt:

    Ich hätte mir da schon lange eine Bemerkung nicht verkneifen können die sie mit offenem Mund zurücklässt. 😉

    Softwareentwicklung outsourcen…das ist wirklich ungeheuer innovativ. Geradezu verwegen. ;D
    Und auch der Hut über die Sekretärin zum Chef durchzukommen ist uralt. 🙄

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  2. schaum schreibt:

    dacht ichs mir, das so etwas rauskommen kann am ende…..ich habe auch sweetsurrenders kommentaren wenig hinzuzufügen…..

    es schäumt eigentlichbitter

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  3. plietschejung schreibt:

    Schmeiß sie einfach raus, das Plappermaul.
    Wer weiß, was sie sonst noch mit anderen bequatscht.

    Ich finde das komplett unangebracht und frech.

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    • breakpoint schreibt:

      Nee, das ist keine Option (zumal die Stelle dann wieder unbesetzt wäre).

      Ich habe aber schon überlegt, Carsten zu bitten, mit ihr ein ernstes Wort zu reden.
      Allerdings wird sie ihm vermutlich noch weniger glauben als mir, und das wird sie nur noch in ihrer Meinung bestärken.

      Dass sie darüber mit anderen Personen spricht, glaube ich nicht.
      So gut meine ich sie zu kennen.

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      • plietschejung schreibt:

        Solche Personen können durchaus taktisch oder unbedacht gefährlich werden. Was bildet die Schnepfe sich denn ein ?

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        • breakpoint schreibt:

          Obwohl mich ihr Verhalten nervt, bin ich mir sicher, dass sie keine böswilligen Absichten verfolgt.

          Wenn sie sich nur überzeugen ließe, würde ich mich ja mal mit ihr in einer ruhigen Viertelstunde darüber unterhalten, aber sie hat sich wohl zu sehr verrannt.

          Früher war ich öfters mit ihr kaffeetrinken o.ä. Dazu hatte ich aber dann zunehmend weniger Lust.
          Mal schauen, vielleicht probiere ich’s doch noch mal.

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          • Leser schreibt:

            Ich ermutige Dich dazu ganz stark! Aber am besten nicht nur mit einer Viertelstunde Kaffetrinken zwischen Tür und Angel. Sowas will gut geplant sein. Macht Euch einen schönen „Frauentag“, geht Shoppen, und lasst den ausklingen mit einer guten Gelegenheit für lange Gespräche. Sprich mit ihr über intime Themen, interessiere Dich dafür, wie es ihr auf dem Gebiet geht, und dann schwärme ihr davon vor, wie es Dir auf dem Gebiet geht – natürlich nicht nur auf die Sexualität bezogen, sondern erzähle ihr auch ganz gezielt, wie Du und Dein Mann Euch kennengelernt habt, wie Ihr erst *Freunde* geworden seid, bevor Ihr im Bett (oder wo auch immer) gelandet seid, und betone gezielt seine positiven Qualitäten. Nach Deinen Blog-Posts zu schließen hast Du auch ein recht gutes Bewusstsein darüber, wie Deine und seine Charakterfehler ineinander greifen und Ihr Euch somit gegenseitig ergänzt. Ja, natürlich hat jeder Mensch Charakterfehler, und wer dazu steht, ist umso besser dran.
            Kurz gesagt: Werdet wieder echte Freundinnen, nicht nur oberflächlich, weil Ihr halt verwandt seid.

            Das ist natürlich nur meine Meinung bezüglich einer sinnvollen Herangehensweise (Set & Setting), Du kannst davon übernehmen, was Du möchtest.

            Ich wünsche Dir aber auf jeden Fall viel Erfolg dabei!

            PS: Ich finde die Zahlen im Captcha viel toller, als vorher die manchmal wirklich schwer zu entziffernden Worte!

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            • breakpoint schreibt:

              Hm, ja, mal schauen.
              Ich werde da wohl nicht drum herum kommen, will das aber auch nicht überstürzen.

              Shopping kommt mit ihr allerdings nicht mehr in Frage. Das hatten wir schon, und ich würde ihr zutrauen, wieder einen Olli aus dem Ärmel zu zaubern.
              Und intime Themen werde ich sicherlich auch nicht mit ihr besprechen.

              Dein Bild von den ineinandergreifenden Charakterfehlern gefällt mir. Ich sehe da Zahnräder vor meinem inneren Auge. :))

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  4. remi1 schreibt:

    Cool die Verlinkung von WP. Das erinnert mich daran regelmäßiger wieder vorbeizuschauen.. Danke

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  5. ednong schreibt:

    Also ich würd – ähnlich wie vom Leser vorgeschlagen – vorgehen. Denn es ist sicher mehr wert, sie nicht nur in einer Ecke stehen zu lassen, auch wenn deine Info ggf. ihren Horizont übersteigt. Aber vielleicht erweitert diese ihn auch, so dass sie anschließend mehr verständnis aufbringt.

    Und du hast BEULEN? Wie machst du das denn?

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  6. Bellona schreibt:

    ich finde bemerkenswert, dass du so „egal“ reagieren kannst. ich finde diese unterstellungen ungeheuerlich und würde mich vermutlich dazu hinreißen lassen, mich zu rechtfertigen. die wahren gründe für deine kürzliche abgeschlagenheit hätte ich ihr längst an den kopf geknallt, nur damit sie sich richtig schämt. aber das ist letztendlich eine sehr emotionale und vermutlich auch blöde reaktion. ich glaube, dein umgang mit diesen gesprächen ist der bessere für alle beteiligten.

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  7. breakpoint schreibt:

    FünfhunderteinundsechzigManchmal habe ich tatsächlich Ideen, die ich in aller Bescheidenheit als genial bezeichnen möchte.

    Es kamen mehrere Voraussetzungen zusammen:
    * Obwohl Carsten Geschäftsreisen vermeidet, hielt er es gestern trotzdem für sinnvoll, eine wichtige Branc…

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  8. breakpoint schreibt:

    SechshundertKathrin hatte mich um ein privates Gespräch gebeten. Ich hatte eh vorgehabt, mit ihr mal wieder einen Kaffee trinken zu gehen und schlug vor, dies nach Feierabend zusammen zu unternehmen, womit sie einverstanden war.
    Sie hatte in letzter Zeit auf mich…

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  9. breakpoint schreibt:

    AchthundertfünfundsechzigVielleicht erinnert sich noch der eine oder andere von euch an den Consultant, den wir letztes Jahr hier hatten. Sein einziger konkreter Vorschlag war es, die Entwicklung teilweise nach Osteuropa oder Indien outzusourcen (Tja, typisch Unternehmensberat…

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