Vierhunderteinundsechzig

Wenn Carsten kurzfristig etwas mit seinen Mitarbeitern, auch Führungskräften, besprechen will, lässt er sie normalerweise von seiner Sekretärin (bzw. Kathrin) in sein Büro zitieren. Im Allgemeinen müssen die dann trotzdem noch eine Weile im Vorzimmer warten, weil Carsten ja solange nicht Däumchen dreht, sondern sich sinnvoll beschäftigt und das erst beenden oder zumindest definiert unterbrechen will.
Vermutlich könnte man das Prozedere verbessern, aber Carsten besteht auf diesem Vorgehen.

So war es absolut ungewöhnlich, als er mich in meinem Büro aufsuchte, und auch noch die Türe von innen schloss (da hat Kathrin wieder was, worüber sie sich Gedanken machen kann).
Er hatte meine Juni-Rechnung dabei und zeigte sie mir.

„Das kann so nicht stimmen. Du hast im Juni viel mehr gearbeitet.“
„Das passt schon so.“
„Nein, nein. Ginge es nur um zwei oder drei Stunden, wäre mir die Diskrepanz wohl gar nicht aufgefallen. Aber der Unterschied ist schon erheblich und macht vielleicht sogar einen vierstelligen Betrag aus.“
„Ich sagte, dass es so passt. Lass es einfach auf sich beruhen.“
„Du sollst soviel Geld kriegen, wie dir zusteht.“
„Genauso habe ich die Rechnung ja auch erstellt.“
„Ich will keine Ermäßigung von dir, nur weil wir zusammen sind.“
„Und ich will keinen Mieterlass, nur weil wir zusammen sind.“
„Ach, um die Miete geht es. Ich dachte, das hätten wir längst zu beiderseitiger Zufriedenheit geklärt.“
„Nur zu deiner Zufriedenheit.“
„Pass mal auf, Samtpfötchen. Die Wohnung gehört mir privat, und wir wohnen da privat. Das ist die eine Sache. Deine Arbeitsleistung erbringst du für die Firma. Deine Rechnung läuft über die Firma. Das sind Betriebsausgaben. Das ist die andere Sache. Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Und du darfst das nicht miteinander verrechnen.“
„Wenn du geringere Betriebskosten hast, erhöht sich aber entsprechend dein Gewinn. Zumindest, wenn man die Steuern nicht mitberücksichtigt. Und meine Einnahmen muss ich schließlich auch versteuern.
Und außerdem zahlst du die ganze Hochzeit, die Hochzeitsreise und sogar mein Hochzeitskleid allein. Da beteilige ich mich eben auf diese Art.“

Carsten seufzte: „Es wird wirklich Zeit, dass wir heiraten. Dann kommt alles in einen Topf, und wir können uns endlich diese ewigen Gelddiskussionen sparen.“
„So habe ich mir das aber nicht gedacht.“
„Wie hast du es dir denn gedacht?“, fragte er ziemlich resigniert.
„Nun, dass alles genauso bleibt, wie es ist – ganz unabhängig von dem Trauschein.“
„Wie ich dich kenne, kannst du dieses ‚alles bleibt genauso‘ sicher etwas konkreter spezifizieren.“
„Allerdings. Erstens: Ich bleibe weiterhin deine Geliebte, beziehungsweise ich werde Ehefrau und Geliebte in Personalunion. Das ist wesentlich effizienter, als diese Rollen aufzusplitten.“
„Keine Einwände. Das entspricht völlig meiner Planung“, meinte er leicht amüsiert, „und weiter?“
„Zweitens – aber das haben wir eigentlich schon alles besprochen: Ich arbeite wie bisher weiter, ohne dass du dich einmischt – zumindest nicht mehr als jetzt. Ich verdiene mein eigenes Geld. Da bleibt dir noch genug, wofür du deines ausgeben kannst. Und meinen Nachnamen behalte ich auch. So kennen mich schließlich meine Kunden, und ich will nicht meine ganzen Unterlagen ändern müssen.“
„Hm. Weiterarbeiten – OK. Sonst würdest du dich ganz sicher langweilen, während ich meine vierzig erlaubten Stunden arbeite, und nur auf dumme Ideen kommen. Das mit dem Namen verstehe ich. Und so ein Namenschaos wie bei deiner Cousine wollen wir schließlich erst recht nicht. Aber gelegentlich musst du mir schon erlauben, für dich Geld auszugeben.“
„Gelegentlich werde ich das schon gestatten, aber nicht in jedem Fall, der dir einfällt.
Drittens habe ich keine Lust, mich mit irgendwelchem Hausfrauenzeugs wie Hemden bügeln oder kochen herumzuschlagen.“
„Schon klar. Das habe ich ja auch nie von dir verlangt.“
„Na ja, wer weiß, was du für verquere Einfälle hast, wenn ich dir erst ausgeliefert bin.“
„Bestimmt ganz verschrobene. Aber ich werde dich nie auffordern, etwas zu tun, das dir so sehr widerstrebt.“
„Gut. Dann sind wir uns einig. Unsere sonstigen Vereinbarungen bleiben natürlich unverändert weiterhin gültig.“
„Nichts anderes hätte ich erwartet.
So, und was machen wir jetzt mit der Rechnung?“
„Veranlasse einfach, dass sie, so wie sie ist, beglichen wird.“
„Und du lässt dich nicht umstimmen?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Also gut. Du hast diese Schlacht gewonnen. Aber ich werde sicherlich mal Gelegenheit haben, mich zu revanchieren.“

Ich ließ ihm das letzte Wort. Aber den einen oder anderen Trumpf im Ärmel werde ich schon auch noch finden.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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18 Antworten zu Vierhunderteinundsechzig

  1. gelöschter User schreibt:

    Samtpfötchen klingt so schön… =)

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  2. schaum schreibt:

    das ist bei mir so noch nicht alles geregelt, aber meine liebste ist da weniger störrisch 😉

    es schäumt gutgemacht

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  3. plietschejung schreibt:

    Na, das sind ja mal Ansagen.

    Zack Zack und fertig ist der Lack !
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  4. Murgs schreibt:

    „Es wird wirklich Zeit, dass wir heiraten. Dann kommt alles in einen Topf, und wir können uns endlich diese ewigen Gelddiskussionen sparen.“

    Aus dem Stoßseufzer spricht eine ganze Menge (Liebe).
    1. Es wird Zeit, daß Du vom Markt kommst 😉
    2. Er denkt an Zugewinngemeinschaft und da spricht auch nichts dagegen. Da Du wohl kein größeres Vermögen, sondern nur eine Rücklage und eine begrenzte Alterssicherung hast, spricht nichts für Ehevertrag / Gütertrennung. Über das Pro-und Kontra kann man lange diskutieren, aber ich denke, daß Carsten da auch seinen Rechtsberater gefragt hat. Meine Erfahrung: Keep it simple!
    3. Die Diskussionen wer zahlt was hören sicher nicht mit dem Trauschein auf. 😉
    4. Redet bitte erst darüber (über alles!) – aufgeschobene Debatten bleiben einem jahrzehntelang erhalten. (Erfahrungswert) 😦
    5. Auch meine Erfahrung: Sprecht noch über das Thema Testament. Ich denke Carsten hat da konkrete Vorstellungen – Du solltest nicht überrascht sein. 🙂

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    • breakpoint schreibt:

      Öh, das leidige Thema Geld!

      Ich habe ja eh schon kaum noch Ausgaben, weil er fast immer alles bezahlt.
      Da finde ich es eigentlich selbstverständlich, dass ich mich revanchiere, indem ich – teilweise unentgeltlich – für sein Unternehmen arbeite.

      Das ganze juristische Zeugs lasse ich auf mich zukommen, wenn ich es schon nicht vermeiden kann.

      Ach, und „vom Markt“ bin ich ja praktisch bereits. Das muss kein Standesbeamter beurkunden.

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  7. :-Dirk schreibt:

    >> „Und du lässt dich nicht umstimmen?“
    >> Ich schüttelte den Kopf.

    Hätte er mehr von Dir gelernt, hätte er damals die doppelte Negation knallhart für sich ausgenutzt und Dich drauf festgenagelt ;).

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