Vierhundertachtzehn

Ohne aktuellen Anlass offenbare ich heute wieder eine Erfahrung aus meinen Memoiren.

Der Frauenarzt hatte mir Ascorbinsäurezäpfchen in die Hand gedrückt, obwohl ich gar keine Beschwerden hatte.

Ich bin ja gegenüber jeder Art von Medikamenten, Arzneimitteln und Drogen sehr skeptisch und ablehnend. Aber bei Vitamin C dachte ich mir in meiner Naivität, es könne ja nicht schaden.

Ich gehöre zu den Leuten, die Beipackzettel tatsächlich ausgiebig lesen. Und selbstverständlich las ich auch diesen vorher gründlichst von vorne bis hinten durch. Ich habe regelrecht nach einem Hinweis gesucht, ob man einen zeitlichen Abstand einhalten muss. Aber da stand nicht die kleinste Andeutung in dieser Richtung.

Für alle Fälle warteten wir trotzdem mindestens eine halbe Stunde.
Was soll ich sagen, das Zeug hat nicht nur mir, sondern auch meinem damaligen Lover alles verätzt. Daraufhin habe ich die Dinger nie mehr eingesetzt. Mehrere Tage lang waren wir danach noch wund und außer Gefecht gesetzt.

Warum steht auf dem Beipackzettel nicht groß und deutlich: „Für die Dauer der Behandlung ist vaginaler Geschlechtsverkehr kontraindiziert.“?
Und warum hat mich der Arzt nicht gewarnt?

Jede Anwenderin sollte selbst die Möglichkeit haben, abzuwägen, ob eventuelle Beschwerden oder mögliche Risiken/Nebenwirkungen das kleinere Übel sind.
Dazu müssen letztere erst einmal bekannt sein. Selbst wenn dies ein Phänomen ist, das „bei allen Vaginaltherapeutika mehr oder weniger zu beobachten ist“, war mir das zumindest nicht bewusst. IMHO gibt es doch den Beipackzettel gerade zu dem Zweck, mögliche Probleme mit dem Arzneimittel an die Patienten zu kommunizieren.

Ich hatte den Schaden, aber ich habe daraus gelernt.
Vielleicht dient jedoch dieser Eintrag anderen irgendwann Betroffenen als Warnung. Dann wäre dieses unangenehme Erlebnis wenigstens nicht völlig sinnlos gewesen.

Soviel zu sex, drugs, und Beipackzettel.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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13 Antworten zu Vierhundertachtzehn

  1. Murgs schreibt:

    Die Formulierung der Beipackzettel wird von der Rechtsabteilung übernommen und aus den vielen unnötigen Informationen die wirklich wichtigen herauszufiltern ist auch für Fachleute schwer.
    Eine Tendenz diese Information zu verharmlosen ergibt sich aus dem Unwillen nicht weniger Patienten eine Behandlung konsequent durchzuziehen, weil sie die Folgen der Nichtbehandlung missachten – teilweise weil der Arzt die Diagnose verharmlost hat.
    Kaum ein Patient / Kunde versteht wenn man Klartext redet, sondern reagiert gleich panisch. So wird von Beipackzettel, Arzt und Apotheker immer so formuliert nach dem Motto „Nimm das Mittel, es ist gut und Dir passiert schon nichts!“ statt „Du bist krank, wenn Du das nicht nimmst, wirst Du noch kränker und es geht etwas kaputt, daß es Dir dann dauerhaft richtig schlecht geht!“

    Richtig dumm wird die Sache, wenn die Diagnose und Therapiebeschreibung mit dem „Weichspüler“ behandelt wird:
    Klang vielleicht so: „Der vaginale pH-Wert ist etwas hoch, das ist nichts Ungewöhnliches, um ihn abzusenken führen sie eine Woche lang abends diese Vaginaltablette ein, es ist nur Vitamin C.“
    Klartext: „Der Säurewert in der Scheide stimmt nicht, das heißt, in dem natürlichen Bakterien-Pilze-Gemisch ist etwas in Unordnung geraten. Was dort gerade exponentiell wächst, hat in dieser Menge dort nichts zu suchen und wenn es weitergeht und sich ausbreitet macht es Sachen in ihrem Körper kaputt, auf die sie die nächsten Jahrzehnte nicht verzichten können.“
    (An diesem Punkt gibt es verschiedene Möglichkeiten der Therapie z.B. auch Antibiotika, aber dann sollte etwas mehr Ursachenforschung stattfinden. Eventuell reicht auch einfach eine Ladung Milchsäurebakterien, um die Vaginalflora zu regulieren.)
    „Einmal täglich anwenden heißt fast immer, daß die Wirkung länger als einen Tag anhält.“

    Was mich stört ist, das der Arzt entweder Dir hätte sagen sollen, daß du zwar symptomlos aber krank bist (dann wärest Du auch vorsichtiger gewesen) oder wenn die Sache harmlos war, dann auch nur ein weniger eingreifendes Mittel verordnet hätte (eher vorbeugend).

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    • breakpoint schreibt:

      Es ist schon klar, dass bei der Formulierung des Beipackzettels auch juristische Überlegungen mithinein spielen.
      Das merkt man schon daran, dass das meiste für einen selbst gar nicht zutrifft. Da stehen jede Menge Informationen zu WW mit anderen Medikamenten, was Kinder, Schwangere, Stillenden, Diabetiker, etc. beachten müssen, und so weiter und so fort.
      Trotzdem mache ich mir die Mühe, aus der Menge der Informationen den für mich relevanten Part herauszufiltern.

      Aber wenn die allerwichtigste Information fehlt?
      Ist der Gedanke denn so abwegig, dass eine Frau auch Sex haben könnte?

      Ich habe nochmal versucht, das damalige Gespräch mit dem Arzt zu rekonstruieren. Da das einige Jahre zurückliegt, kann ich das nicht mehr mit Sicherheit sagen, es muss aber so ähnlich gewesen sein:
      „Der pH-Wert ist etwas erhöht. Um einer Pilzinfektion vorzubeugen, sollten Sie diese Vitamin-C-Zäpfchen nehmen.“
      Ich habe nicht mehr nachgefragt, dann bei Ärzten bekommt man eh nie – selbst wenn sie die Frage verstanden haben (was meiner Erfahrung nach eher die Ausnahme ist) – eine eindeutige und verbindliche Antwort, sondern höchstens ein Wischiwaschi-Geschwätz mit irgendwelchen Buzzwords.

      Und was heißt überhaupt „erhöhter ph-Wert“? Deshalb ist die Fauna nicht zwangsläufig gestört. Ejakulat ist nun mal alkalisch.

      „Einmal täglich anwenden heißt fast immer, daß die Wirkung länger als einen Tag anhält.“
      Es impliziert aber nicht, dass es auch – nicht im Beipackzettel dokumentierte – Nebenwirkungen gibt.

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      • Murgs schreibt:

        „Aber wenn die allerwichtigste Information fehlt?
        Ist der Gedanke denn so abwegig, dass eine Frau auch Sex haben könnte?“

        Ich habe mal nachgeschaut: In meiner Datenbank fehlen Hinweise auf entsprechende Wartezeit, wobei ich jetzt nur Stichproben durchgesehen habe.
        Bei deutlicher Infektion sollte frau natürlich ihren Partner auch nicht mit den unerwünschten Zugaben beehren. 😉

        „Um einer Pilzinfektion vorzubeugen, sollten Sie diese Vitamin-C-Zäpfchen nehmen.“

        Oh, da kann eher das Gegenteil passieren. Hefepilze vermehren sich auch im sauren Milieu.

        „Und was heißt überhaupt „erhöhter ph-Wert“? Deshalb ist die Fauna nicht zwangsläufig gestört. Ejakulat ist nun mal alkalisch.“

        Die Tierchen und Pflänzchen sind sehr viele unterschiedliche. Nehmen wir nur die Wichtigsten:
        Milchsäurebakterien (Lactobacillus) sind die Hauptuntermieter. Sie lieben Saures und sorgen auch dafür, daß es so bleibt. Haben nur Frauen im gebärfähigen Alter, kleine Mädchen nicht.
        Anaerobier (Gardnerella) mögen es alkalisch und können die Hefen am Wachstum hindern.
        Solange es nicht zu viele sind kein Problem, sonst gibt es Entzündungen im Bereich Scheide/Schamlippen. Der Hinweis auf das Ejakulat ist gut: Die Kameraden besiedeln vorwiegend männliche Harnröhren. Bei Jungfrauen findet man sie wohl nicht.
        Hefepilze (Candida) bevorzugen zwar alkalisches Milieu, wachsen aber auch im Sauren. Selbst wenn sie sich zu stark vermehrt haben bleibt es häufig unbemerkt (asymptomatisch) das kann sich aber plötzlich ändern, besonders bei intensiver mechanischer Reizung. Entzündungen, Brennen und Juckreiz sind die Folge.

        Ein viertel Gramm Ascorbinsäure ist schon recht viel, wird dann die empfindliche Schleimhaut strapaziert, ist das allein schon nicht schön.
        Da die Anaerobier dann verloren haben, gibt es einen Wettlauf zwischen Lactobacillen und Candida. Innerhalb weniger Tage siegen normalerweise die Milchsäureproduzenten, aber wenn die Hefen mit Vorsprung starten, lassen die es richtig jucken. 😦

        Kurz gesagt: Ich finde die Idee vom Doc nicht gut.

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        • breakpoint schreibt:

          Danke für deine ausführliche Erläuterung.
          Im Nachhinein lässt sich wohl nicht mehr klären, was genau los war.
          Mit einem entsprechenden Hinweis im Beipackzettel wäre das anders gelaufen.
          Zumindest habe ich das Problem jetzt öffentlich hier dokumentiert.

          „Bei deutlicher Infektion sollte frau natürlich ihren Partner auch nicht mit den unerwünschten Zugaben beehren.“
          Das ist selbstverständlich. Setzt aber voraus, dass die Existenz „unerwünschter Zugaben“ bekannt ist oder zumindest für möglich gehalten wird.

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  2. ednong schreibt:

    Dieses Kopf Kino gerade … 🙂

    Aber Vit C als Vaginaltablette kannte ich noch nicht.

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  3. engywuck schreibt:

    „Mehrere Tage lang waren wir danach […] außer Gefecht gesetzt.“

    Klingt nach dem idealen Verhütungsmittel. Einmal einnehmen, wirkt gleich mehrere Tage…

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    • breakpoint schreibt:

      Wenn du meinst, dass das ideal ist, kannst du einen hinreichenden Effekt bestimmt auch durch die reichliche orale Zuführung von Lebensmitteln/Getränken erreichen, die in ausreichender Konzentration Essigsäure/Milchsäure/Zitronensäure/Weinsäure enthalten.

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  4. baerlinerin schreibt:

    OMG! Danke für die (vielen) Info(s). *grins* Aber ich bin auch so eine, die den Beipackzettel ganz ausführlich liest. Und mal einen Schwenker von Vitamin C beim Menschen zur ADEC-Vitaminspritze bei meiner vierpfötigen Miss Liebreiz: Bei der letzten Impfung hatte mein ehemaliger Tierarzt wohl zu wenig Bargeld, um am Abend mit seiner Holden auszugehen und musste mir für meine Miss Liebreiz zusätzlich noch `ne Vitaminspritze aufschwatzen. Mit dem Ergebnis, dass sie einen fetten Allergieschock bekam und ein weiterer Tierarzt Erste-Hilfe mit zwei weiteren Spritzen leisten musste. Also Misstrauen ist immer angebracht. Zumal auch ich auf verschiedene Antibiotika allergisch reagiere. Endstation Krankenhaus. Da habt ihr also noch fast Glück im Unglück gehabt. 😉

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    • breakpoint schreibt:

      Sicherlich hätte es noch weit schlimmer kommen können. Und zumindest bleibende Schäden sind nicht zu verzeichnen.
      Trotzdem wurmt es mich, dass der Beipackzettel, auf dessen Vollständigkeit ich mich verlassen hatte, mir die wichtigste Information vorenthielt.

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