Dreihundertneunundachtzig

Meistens schlagen wir beim Spazierengehen die Richtung entgegengesetzt zum Ort ein. Allmählich wird das aber langweilig, so dass wir gestern erst den Ort durchquerten, um dann in die andere Richtung weiterzugehen.
Der Weg, den wir fanden, war an sich recht angenehm. Es waren kaum Leute unterwegs. Wir blieben alle paar hundert Meter stehen, um uns zu umarmen oder zu küssen.

Irgendwann kamen uns zwei Frauen mit Skistöcken (der Hersteller hat ja einen Riesencoup mit Nordic Walking gelandet) entgegen. Als sie näher kamen, so dass man sie erkennen konnte, meinte Carsten plötzlich: „Verdammt! Das sind Martina und Doris – Ingrid’s beste Freundinnen. Die gingen früher bei uns ein und aus. Wenigstens hast du das nicht!“
Sie waren mittlerweile so nah gekommen, dass Carsten nichts anderes übrig blieb, als sie zu begrüßen: „Martina! – Doris!“ Er nickte ihnen jeweils zu.

Die beiden waren so um die fünfzig, und trugen grellbunte Sportbekleidung. Die eine war eher blond, die andere dunkler und etwas schlanker.
„Ja, Carsten, wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen.“ – „Du hast dich ja wie man sieht schnell getröstet.“ – „Ja, wenn man das nötige Kleingeld hat, stehen die jungen Dinger Schlange.“ – „Das war ja letztes Jahr eine Überraschung, als die süße, kleine Fiona geheiratet hat.“ – „Wie geht es ihr denn? Ist schon Nachwuchs unterwegs?“ – „Es gibt auch Gerüchte, dass die liebe Verena was Kleines erwartet. Ach wenn das Ingrid noch erlebt hätte. Sie wäre sicherlich total aus dem Häuschen.“
So oder ähnlich riefen sie durcheinander, fielen sich gegenseitig ins Wort, und sprachen auch über Leute, von denen ich noch nie gehört hatte. Carsten hatte – selbst wenn er gewollt haben sollte – gar kleine Gelegenheit, auf ihre Fragen einzugehen.
Als sie endlich eine Pause machten, meinte Carsten: „Wir wollen weiter. Grüßt Dieter und Jörg von mir“, nickte den beiden denkbar kurz zu, und zog mich schnell weiter.

Als sie außer Hörweite waren, sprach er zu mir: „Furchtbar, diese Klatschweiber. Falls du jemals so wirst, dann schmeiß‘ ich dich raus!“
„Das sind ja tolle Aussichten! Aber mir sind fremde Leute viel zu egal, um so über sie zu reden.“
„Bewahre dir diese Gleichgültigkeit.“

Der Frühling scheint sich ja endlich doch einmal aufzuraffen. Es ist zwar immer noch relativ kühl, aber wenn die Sonne durchkommt, kann man ihre Kraft schon ahnen.
Auf der linken Seite des Weges befand sich ein kleiner Wald (befindet sich natürlich AFAIK immer noch dort, treffender wäre wohl „wir befanden uns rechts eines kleinen Waldes“).
Carsten zog mich plötzlich über den Wegrand in den Wald hinein. An den Stamm eines Baumes (Buche, Eiche, Linde – keine Ahnung – Bäume sehen für mich alle gleich aus) gelehnt, gab ich ihm gerne Gelegenheit, sich abzureagieren, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machten.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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21 Antworten zu Dreihundertneunundachtzig

  1. House-of-mystery schreibt:

    Nun ja, hier ist es absolut bedenkt. Frühling ? Liegt wahrscheinlich über den Wolken.
    Und wen interessieren schon die Klatschweiber ? ( Wobei er schon recht hat, der Carsten )

    Sollte mich wohl auch mal abreagieren. Aber irgendwie klappt das nicht. 🙂

    Guten Morgen übrigens.

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    • breakpoint schreibt:

      Ach, der Frühling, wo bleibt er?

      Gestern war hier zumindest zeitweise die Sonne draußen, auch wenn es insgesamt eher kühl und windig war.
      Aber heute ist wieder alles trüb.
      Ich will endlich Sonne und Wärme!!!

      Schönes Rest-Wochenende!

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      • House-of-mystery schreibt:

        Ich habe schon einen Aushang aufgehängt, also hier. Hast du ihn gesehen ? Nicht ! 🙂

        Jedenfalls kam gegen nachmittag dann doch etwas Sonne, die ich dann auf unserer Terrasse mit malen genossen habe.

        Ich wünsche dir auch was ! 🙂

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  2. Conchi schreibt:

    Hi du,

    ja, der Frühling scheint sich endlich mal blicken zu lassen,
    und ich kann es kaum erwarten, dass es nun wärmer wird.
    Ich habe auch gerade meinen letzten Kommentar gesucht, aber
    leider nicht gefunden, denn ich wolle sehen, was du geantwortet hast. naja, da kann man wohl nichts machen.

    LG an dich
    und alles Liebe
    Conchi

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  3. Moody schreibt:

    Hm… neue Wege führen zu alten Bekannten 😀 hier ist hellblauer Himmel und eine angenehme Temperatur, da kann ich mir so einen Ausflug in den Wald auch bestens vorstellen 🙂

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  4. baerlinerin schreibt:

    Ich weiß ja nicht, wo ihr alle wohnhaft seid… aber an der Küste war`s Freitag/Samstag z.B. sehr bedeckt (Miss Liebreiz und ich genossen 2 Tage Auszeit auf Usedom), aber wahnsinnig mild und heute in Berlin gab`s 20 Grad und Sonne pur. T-Shirt-Wetter! – Ergo: WIR haben Frühling!
    Und passend dazu kommst du nun mit deiner Sex-im-Freien-Geschichte. *grrr* DER fehlt mir nun wirklich noch zum endgültigen (An)Kommen… 😉 Nun stell dir vor, die zwei Weiber hätten euch am Baum überrascht. … Kopfkino. 😉

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    • breakpoint schreibt:

      Mit etwas Verzögerung scheint hier auch das schöne Frühjahr begonnen zu haben!

      Wenn die zwei uns gesehen hätten – oops – dann wäre das in dem kleinen Ort sicher *das* Gespächsthema für die nächsten Monate gewesen.
      Aber wir sind schon ein ganzes Stück in den Wald hinein gegangen, wo es ruhig und menschenleer war.
      Man weiß ja nie, ob man auf Vogelbeobachter trifft, die spannende Szenen suchen.

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  5. breakpoint schreibt:

    SiebenhundertvierundzwanzigGestern kamen Verena mit Sophie und Patrick am späten Vormittag an.
    Wir blieben zum Essen im Haus. Die Haushälterin hatte einiges vorbereitet.
    Patrick scheint Sophie besser im Griff zu haben als Verena. So ging das Essen sogar einigermaßen zügig vons…

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  6. breakpoint schreibt:

    NeunhundertelfNur weil Carsten von mehreren Personen ausdrücklich gebeten worden war, am Dorffasching teilzunehmen, entschloss er sich, dort eine halbe Stunde mal vorbeizuschauen. Vorher überredete er mich noch mitzukommen. Auf irgendwelche Verkleidungen verzichtete…

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