Dreihundertachtundfünfzig

Carsten hat die Konditionen fürs erste akzeptiert.
Nachdem ich ihm am Sonntag Vormittag eine Liste mit Bedingungen gemailt hatte, kam weniger als eine Stunde später die Antwort:

„Anne,
bin im Wesentlichen einverstanden.
Einige Punkte sollten wir in einem persönlichen Gespräch erörtern.
Bitte schlage Zeit und Ort für einen Termin vor.
Carsten.“

Mich beeindruckte vor allem, die Bitte um einen Terminvorschlag. Ihm muss es wirklich wichtig sein, wenn er explizit darum bittet, und mir die Wahl überlässt.
Da ich die Angelegenheit nicht hinauszögern wollte, aber natürlich auch nicht den Eindruck erwecken wollte, ich hätte nichts anderes zu tun (ich bin tatsächlich momentan zeitlich sehr ausgelastet), schickte ich ihm am Montag morgen eine Einladung für 18 Uhr.
Mir war bewusst, dass dies zeitlich zwar eng für ihn werden würde, aber durchaus machbar.
Ich habe – aus offensichtlichen Gründen – darauf bestanden, dass wir uns zuerst einmal an einem neutralen Ort in der Öffentlichkeit treffen, um den Status in einem Gespräch abzuklären.
Es war naheliegend, uns abends in einem Restaurant zu treffen.

Nachdem wir erst nur über so banale Dinge wie die Essensbestellung gesprochen hatten, kam Carsten schließlich auf unser Thema: „Ich freue mich, dass du einverstanden bist, es noch einmal mit mir zu versuchen.“
„Es zu versuchen. Du sagst es.“
„Wie lange gedenkst du, so kühl und abweisend zu bleiben?“
„So lange es mir notwendig erscheint.“
„Darf ich deine Kriterien für die Notwendigkeit erfahren?“
„Ich habe die Kriterien dafür noch nicht eindeutig spezifiziert.“
„Dann lass mich mal klarstellen, dass ich keinen distanzierten Eisblock will. Ich will die Frau zurück, die mir damals wegen einer einfachen Uhr um den Hals gefallen ist. Die ständig vor sich hin singt oder mehrdeutige Bemerkungen macht. Die an Computern herumschraubt und -lötet.“
„Oder an anderer Hardware herumfingert“, ergänzte ich ironisch.
„Ganz genau.“
„Also OK. Beginnen wir mit den Fakten. Wie viele Stunden pro Woche arbeitest du zur Zeit?“
„Zu viele. Dass es mit dem Assistenten nichts geworden ist, hast du ja vielleicht schon erfahren. Was hätte ich auch sonst tun sollen als arbeiten? Du wolltest ja nichts mehr mit mir zu tun haben.“
„Auf wie viele Stunden kannst du jetzt kurzfristig heruntergehen?“
„Hm. Vielleicht sechzig? Ich würde es zumindest versuchen. Und wenn du willst, machen wir einen zweiten Anlauf, einen Assistenten einzustellen.“
„OK. Ich habe gehört, du hättest Sven an Silvester aus dem Haus geworfen.“
„Das stimmt. Er sagte, ich solle froh sein, dich los zu sein, weil du es eh nur auf mein Geld abgesehen hast. Da habe ich rot gesehen und ihn rausgeschmissen. Fiona hätte bleiben können, aber sie wollte ja unbedingt mit ihm gehen.“
„Und was ist mit Verena. Hat sie jetzt schon ihr Baby?“
Sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr. „Ja, vor ein paar Wochen. Können wir uns jetzt wieder über uns unterhalten?“
„Warum hast du dich nicht schon viel früher wieder bei mir gemeldet?“
„Was?“, er erschien perplex zu sein, „deine Reaktion damals schien mir mehr als endgültig. Gleich am nächsten Tag hast du deine Cousine unsere Sachen austauschen lassen. Und der Brief, in dem ich ein paar persönliche Worte erhofft hatte, erhielt nur die Account-Daten, die du immer so gehütet hattest. Als ich die sah, wusste ich, es ist aus.“

Warnung: jetzt wird’s gleich sentimental. Wer sich das nicht antun will, soll den Rest dieses Eintrags einfach überspringen. Ich würd’s auch tun.

„Du hättest es immerhin probieren können.“
„Wie denn? Du weißt selber, dass ich damals diesen Lieferanten übernommen habe. Ich musste gleich einige Tage weg, und als ich wiederkam, war auch noch deine Abschlussrechnung da .. Verdammt! Wir haben viel zu viel Zeit verloren. Wie stellst du dir jetzt das weitere Vorgehen vor?“
Irgendwie konnte ich es nicht verhindern, dass sich meine Augen mit Tränen füllten. Ich war plötzlich unfähig, noch etwas zu sagen.
Wir waren fast fertig mit dem Hauptgericht. Ich konnte nichts mehr essen. Carsten ließ sich die Rechnung bringen, und fragte mich nach dem Bezahlen, ob er mich nach Hause bringen solle. Ich nickte nur.
„Willst du, dass ich hier bleibe?“, fragte er dann in der Wohnung.
Ich hatte mich inzwischen wieder etwas gefangen. Dass einen die Hormone aber auch so durcheinanderschaukeln müssen!
Männer, (sofern ihr entgegen meiner Warnung trotzdem weitergelesen habt) seid froh, dass euch das erspart bleibt!

Eigentlich ist dies ein wunderbarer Zeitpunkt für einen Cliffhanger. Der Eintrag ist lang genug und ich muss mich sowieso an die Arbeit machen.
Also: Fortsetzung folgt.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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16 Antworten zu Dreihundertachtundfünfzig

  1. Magnolia14 schreibt:

    Liest sich doch schnuckelig 🙂 Es wirkt, als wäre eure Beziehung ein Geschäft – das allerdings nur ein Schutzschild ist

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  2. Moody schreibt:

    Ich kann das Hin- und Her gut verstehen. Da gibst Du uns einen sehr offenen Einblick in Dein Privat- und Gefühlsleben. Vielen Dank für diese Offenheit.
    Euch Beiden drücke ich auch weiterhin die Daumen, dass es gut läuft.

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  3. Betriebswirt ZRH schreibt:

    …der Kerl muss gut sein… 🙂
    ich freue mich auf die nächsten Folgen der Geschichte.

    LG

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  4. ednong schreibt:

    LOL – woher willst du wissen, dass Männern die Hormone nicht auch verrückt spielen?

    Und ein Cliffhanger? Was sind das für neue Sitten hier? Oh, und ich könnte mir noch mindestens 1 „Problempunkt“ vorstellen, zu dem ihr unterschiedlicher Meinung seid. Ich bin gespannt.

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  5. Pingback: breakpoint’s Wayback Archive #1B //1743 | breakpoint

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