Dreihundertsiebenundfünfzig

Es klingelte am Spätnachmittag an meiner Wohnungstür. Ich erwartete niemanden, ging aber trotzdem zur Tür.
Es war Carsten: „Hallo, kann ich rein kommen?“
„Was willst du?“
„Es geht um die Wohnung.“
„Da hättest du dich vorher ankündigen müssen.“
„Spricht irgendetwas dagegen, das jetzt gleich zu erledigen?“
Ich überlegte kurz. Als Vermieter hatte er das Recht, die Wohnung zu betreten. Es aufzuschieben würde nichts nützen. Also brachte ich es hinter mich.
„Also gut. Komm rein.“
Er betrat die Wohnung. In der Hand hatte er eine Packung mit meinen Lieblingstrüffeln. Er reichte sie mir hin: „Magst du die noch so gerne?“
„Schon“, erwiderte ich kurz, nahm die Schachtel aber nicht entgegen.
Er legte sie auf dem Wohnzimmertisch ab.
„Du hast mein T-Shirt an.“
Mist! Geistesgegenwärtig antwortete ich: „Das ziehe ich immer über, wenn ich die Wohnung putze. Um was genau geht es?“
„Hm. Du hältst dich nicht an den Mietvertrag.“
„Ach?“
„Wir hatten eine bestimmte Miethöhe festgelegt, aber du überweist mir immer ein Vielfaches.“
„Unser Mietvertrag wurde unter anderen Voraussetzungen geschlossen, die jetzt nicht mehr gelten. Ich überweise nur den ursprünglichen Betrag.“
„Wir haben den Mietvertrag aber seither nicht geändert. Da du mir den Differenzbetrag immer wieder zurücküberwiesen hast, zahle ich ihn jetzt auf ein Treuhandkonto ein. Das Geld sollst du wieder kriegen.“
„Ich will dein Geld nicht.“
„Wenn das so ist, werde ich es deiner Schwester für ihre Kinder geben.“
„Nein! Das kannst du doch nicht machen!“ Jetzt hatte er mich doch aus der Fassung gebracht.
„Ach nein?“, fragte er ironisch, „gehört das Geld jetzt dir oder mir?“
„Dein Geld,“ presste ich mit zusammengebissenen Zähnen heraus.
„Dann kann ich damit doch machen, was ich will. Oder?“
„Ich kündige die Wohnung zum nächstmöglichen Termin“, (das hätte ich damals schon machen sollen!), „meine schriftliche Kündigung geht dir in den nächsten Tagen zu.“
Das hatte er wohl nicht erwartet, denn er schaute mich nur mit ärgerlich gerunzelter Stirn an. Ich erwiderte seinen Blick unbeeindruckt und entschlossen, vielleicht auch ein bisschen trotzig.
Statt einer Antwort drängte er mich erst gegen die Wand und drückte mich dann auf den Fußboden.
Nach der ersten Überraschung wehrte ich mich mit allen Kräften.
Da ich nicht mit Besuch gerechnet hatte, trug ich eine Strumpfhose. Die und den Slip musste er erst herunterstreifen.
Gerade als ich im Begriff war, meinen Widerstand aufzugeben, hielt er inne. Er stand auf und zog mich ebenfalls nach oben, und hinter sich her ins Schlafzimmer.

Als wir anschließend noch nebeneinander lagen, meinte er: „Du hast mir gefehlt.“
„Es hat sich nichts geändert“, erwiderte ich spröde.
„Verdammt, Samtpfötchen, ich will dich wiederhaben!“
„Du brauchst nicht zu denken, dass du einfach hier vorbeikommen, dir deinen Geburtstagsfick holen kannst, und alles ist wieder wie früher. Du kannst ja gelegentlich wieder mal zwecks Sex herkommen. Aber ruf vorher an.“
„Es ist wohl besser, wenn ich jetzt wieder gehe. Aber es war mein voller Ernst, als ich sagte, dass ich dich wiederhaben möchte. Falls du noch irgendeine Chance siehst, wie wir wieder zusammenkommen können, dann mail mir bitte die Voraussetzungen und Konditionen dafür.“
Nachdem er sich wieder angezogen hatte, verließ er die Wohnung.

Und ich sitze jetzt hier und formuliere die Konditionen. Ich darf nichts wichtiges vergessen, muss mein Gesicht wahren, und es muss insgesamt für Carsten akzeptabel sein.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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33 Antworten zu Dreihundertsiebenundfünfzig

  1. engywuck schreibt:

    o.O
    wenn das mal gutgeht.

    Punkt 1 der Liste: du zahlst den vollen Mietbetrag, damits am Tag X nicht wieder Probleme gibt?

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  2. Magnolia14 schreibt:

    Oha, warum habt ihr denn überhaupt Schluss gemacht?

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  3. Betriebswirt ZRH schreibt:

    Cool (-: freut mich. Nachdem ich die letzten Monate deinen Blog sogar von Florida aus gelesen habe, sage ich nur… Der Mann hat E (hat was mit Huhn zu tun). Ich freue mich sehr für beide (-:

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  4. baerlinerin schreibt:

    …oha!!! „Geile“ Geschichte. 😉 Ich war ganz kurz der Versuchung nahe, wieder an happy ends zu glauben. Bis ich die Gründe der Trennung erfuhr. Das ist so harter Tobak, dass ich nicht glauben kann, dass du DAS wieder willst. Egal, welche „Konditionen“ du jetzt zu Papier bringst, dieser Mann kann sich unmöglich um 180 Grad gedreht haben. Beschrieben als Egoist und Alpha-Tier wird er sich nie und nimmer an Bedingungen halten. Nimm die Höhepunkte mit, wenn ihr so gut in der Mitte zusammenpasst und lass dich bloß nicht auf mehr ein. Aber gut, ich kenne euch wirklich nicht persönlich. Doch selbst der so wohlgemeint kingende „Vorschlag“ zum Treuhand-Konto sollte nur wieder seine Macht demonstrieren. Nix Gutmensch… just my two cents…

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  5. Magnolia14 schreibt:

    Mit seinem Geld für die Kinder deine Schwester hat er echt nur seine Macht gezeigt. Wenn ich das richtig verstanden habe: Du bist also auch sein Besitz, über den er wieder verfügen möchte

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    • breakpoint schreibt:

      Er will das Geld genauso wenig wie ich, hat sich aber mit meiner Schwester immer gut verstanden.

      Falls wir wieder zusammenziehen würden, würde sich die ganze Diskussion über die Miete ohnehin erübrigen.
      Ansonsten werde ich wohl ausziehen – womit diese Diskussion ebenfalls hinfällig wäre.

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  6. House-of-mystery schreibt:

    Nun, habe es gerade gelesen, also auch die beiden Links, erinnert mich ein wenig an diese Romane, Shades und so. Aber so geht das nun gar nicht. Da mag er im Bett so gut sein wie ein Gott, dafür benimmt er sich anderweitig genauso.

    Er versucht dich einfanch an sich zu binden, immer mehr…..und dann ? Paß auf dich auf, ok ?

    LG

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  7. ednong schreibt:

    LOL – das war das erste, was ich machte. Sorry, aber irgendwie war klar, dass du noch an ihm hängst. Oder nein, dass dir doch noch ein wenig an ihm liegt. Und ihm an dir sowieso. Dass du dich jetzt dann doch so „einfach“ auf ihn einläßt, das wiederum überrascht mich doch ein wenig. Aber gut, dazu kenn ich dich zu wenig, um das beurteilen zu können.

    Bedingungen, hm ja. Eine sollte wohl das sein, was man als selbstverständlich sieht, dennoch oft übersehen wird in einer Beziehung: dem Anderen seinen Freiraum und seine Eigenarten lassen, zumindest die meisten. Kompromißbereit sein. Kommunikativ sein. Und begreifen, dass der Andere einem nicht gehört und man nicht über ihn verfügt. Wie gesagt, eigentlich Selbstverständlichkeiten.

    Ich hoffe, dass du nicht nur Erfolg hast mit dem Formulieren ebendieser, sondern dass er auch bereit ist, sich daran zu halten. Und obiges vielleicht auch verinnerlicht. Wenn ich dich nicht im Süden wissen würde, würde ich sagen, ich hab grad ein Déjà-Vu.

    Aber eigentlich macht das ein Treffen nur interessanter. Ich hoff ja immer noch, dass das klappt.

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    • breakpoint schreibt:

      Noch habe ich mich ja nicht „eingelassen“.
      Das kommt alles darauf an, wie er auf die Bedingungen reagiert, die ich noch am Formulieren bin (und die müssen um einiges konkreter sein als „Freiraum lassen“ oder „kommunikativ sein“).

      Was meinst du in diesem Zusammenhang mit Déjà-vu?

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      • ednong schreibt:

        Déjà-vu gerne in einem persönlichen Gespräch 😉

        Das „Einlassen“ konkretisiere ich dann mal auf „auf den Sex mit ihm eingelassen“.

        Und ich weiß nicht, ob man Bedingungen für so etwas formulieren muß. Oder nein, genauer: ob es eine gute Beziehung werden kann, wenn man für deren Gelingen Bedingungen formulieren muß. Das beängstigt ein wenig. Gerade, wenn du sagst, dass es sehr konkret sein muß.

        Es ist – denke ich – eher eine Frage, ob er in seinem Verhalten etwas ändern will, von sich aus, um einen dauerhaften Kompromiß zu erzielen. Und umgekehrt stellt sich die Frage natürlich auch dir.

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        • breakpoint schreibt:

          Du hast es geschafft, mich neugierig zu machen. Leider ist meine Zeitsituation nicht besser geworden.

          Die Frage nach dem „Einlassen“ hat sich mir gar nicht gestellt. 😉

          Die Bedingungen werden eher eine Art Richtlinien sein, ohne absoluten Charakter, aber für Abweichungen davon sollte man eine gute Begründung haben.
          Naja, erstmal muss Carsten die Bedingungen annehmen. Aber ich denke, das wird er, denn ich habe keine unvernünftigen oder unverschämten Forderungen aufgestellt.
          Und wenn ich nicht willens wäre, der Beziehung noch eine Chance zu geben, hätte ich mir den ganzen Aufwand gespart.

          Inwieweit das ein für die Zukunft tragfähiges Konzept ist, wird sich herausstellen.

          Nachmal zu deinem vorherigen Kommentar:
          „Und ihm an dir sowieso“
          Was veranlasst dich zu dieser Aussage?

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  8. ednong schreibt:

    „Und ihm an dir sowieso“
    Auch da verweise ich gerne auf ein persönliches Gespräch, denn ich denke, die Ausführungen sind in einem Kommentar fehl am Platz.

    Und um jetzt nicht so zu wirken, auf alle Fälle ein Treffen zu wollen: auch gern per Email nach der Messe, wobei ein Gespräch eindeutig sinnvoller ist.

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  9. Moody schreibt:

    Krass… ich bin gespannt, wie es bei euch weitergeht. Aus Deinen Aussagen heraus, überrascht es mich ein wenig, dass Du es noch einmal probierst. Du bist stark genug, so einen Weg zu gehen und ich hoffe nur das Beste für Dich, egal wie es kommt.

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  10. idgie13 schreibt:

    Ui – neue Samtpfötchen-Geschichten … B)

    Also mich freut das, weil ich denke, dass Du damit umgehen kannst.

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  11. breakpoint schreibt:

    @Alle
    Danke für eure Kommentare und die Anteilnahme.
    Ich bin im Moment ziemlich unter Zeitdruck, weshalb es heute auch keinen Blogeintrag gibt.

    Ich halte euch auf dem Laufenden.

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  12. breakpoint schreibt:

    DreihundertvierundachtzigWohlig entspannt lagen wir aneinandergeschmiegt auf dem Bett. Ich zeichnete mit dem Finger gedachte Lissajous-Figuren auf Carsten’s Bauch.

    „Bald hast du wieder Geburtstag. Hast du einen speziellen Wunsch, oder wollen wir zusammen shoppen gehen wie l…

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  13. breakpoint schreibt:

    VierhundertelfNachdem wir uns auf der Hollywoodschaukel vergnügt hatten, fragte mich Carsten, wie ich jetzt bezüglich der Wohnungskündigung vorzugehen gedenke.

    „Was? Welche Wohnungskündigung?“
    „Nun, du hast doch damals den Mietvertrag für die Wohnung mündlich ge…

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  14. breakpoint schreibt:

    SechshunderteinunddreißigIch hatte Carsten ja versprochen, seinen Geburtstag zu vergessen, und selbstverständlich hielt ich mich daran.
    Was ich jedoch nicht vergessen hatte, war, dass sich gestern unser Wiedervereinigungstag jährte. Wenn das kein Grund zum Feiern war!
    Nach u…

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