Zweihundertneunundsechzig

Wenn mich Carsten nicht ausdrücklich danach gefragt hätte, hätte ich ihm ja gar nichts von Sabine’s Baby erzählt. Aber so blieb mir nichts anderes übrig.
Was zur Folge hatte, dass wir gestern die Tauffeier besuchten.

Wenigstens ließ Carsten sich überreden, erst nach der kirchlichen Feier (sprich Wässerung, immerhin wird dem Baby nichts irreversibel abgeschnipselt) aufzukreuzen. Ich bat ihn darum, unsere Verlobung möglichst nicht zu erwähnen, um „dem Täufling nicht die Show zu stehlen“. Das war ihm zwar nicht so recht, aber trotzdem versprach er es mir.

Außer meinen Eltern waren natürlich auch die Verwandten von Thorsten da, von denen ich die meisten noch nie leiden konnte. Zum Glück war sein Cousin Richard nicht dabei. Das wäre sonst wieder mal peinlich geworden.
Ich machte das Beste aus dem Besuch und dezimierte das Tortenangebot erheblich.
Wenn Sabine nicht gerade mit ihrem neuesten Schreihals beschäftigt war, war sie eifrig, ihren Gästen noch mehr Kaffee und Kuchen aufzudrängen.

Nachdem der Tisch abgeräumt war, brachte sie wieder das Baby. „Willst du ihn mal nehmen?“, fragte sie mich.
Ich war entsetzt. Es fehlte mir gerade noch, dass mir der Schreihals die Bluse vollsabberte. „Nein, danke!“, brachte ich gerade noch hervor.
Carsten dagegen ließ sich den Säugling mehr als bereitwillig in die Arme legen.
Ich konnte es mir nicht verkneifen, ein bisschen zu sticheln: „Du machst dich aber gut als werdender Großvater.“
Jetzt war Sabine erstaunt: „Hui, das hat bei den Neuvermählten aber schnell geklappt!“
Ich überließ es Carsten, zu erklären, dass nicht seine verheiratete, sondern seine ledige Tochter schwanger war.
Sabine war voller Mitgefühl: „Und sie ist jetzt ganz allein? Wer kümmert sich denn um sie?“
„Sie hat Freunde, da, wo sie wohnt“, antwortete Carsten kurzangebunden.
Meine Eltern hatten das auch mitbekommen. Wahrscheinlich werden sie jetzt darüber diskutieren, ob Carsten überhaupt der richtige Umgang für mich ist, oder ob er einen schlechten Einfluss auf mich ausübt.

Ursprünglich hatten wir geplant, uns nach dem Abendessen zu verabschieden. Doch Carsten drängte jetzt doch schon zum Aufbruch, weil es schon dunkel würde und er zu Hause noch arbeiten müsse. Als hätte er das nicht schon vorher wissen können.
Auf der Fahrt zurück war er nicht sehr gesprächig. Ich kann auch darauf verzichten, ständig zu hören, dass er noch mal Vater werden will und meine biologische Uhr tickt.
Bei seinem Haus angekommen, zog er sich dann sofort in sein Arbeitszimmer zurück. Da meine biologische Uhr gerade in der „Tack“-Phase ist, ließ ich ihn allein und aß stattdessen noch zwei Stück der Torte, die mir Sabine mitgegeben hatte.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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27 Antworten zu Zweihundertneunundsechzig

  1. DieTraumfaengerin schreibt:

    😉

    „“Willst du ihn mal nehmen?“, fragte sie mich.
    Ich war entsetzt. Es fehlte mir gerade noch, dass mir der Schreihals die Bluse vollsabberte. „Nein, danke!“, brachte ich gerade noch hervor.“
    …manchmal entdecke ich die kuriosesten Parallelen zwischen uns…

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  2. gelöschter User schreibt:

    Hallo liebe breakpoint,

    wenn du mich jetzt sehen könntest, würdest du sicher lachen,
    denn ich grinse mir hier einen, von einem Ohr zum anderen.

    Ich liebe Babys ja sehr, und habe mich gerade köstlich
    über deinen, von der Traumfaengerin kopierten Satz, amüsiert.

    Du scheinst ja nicht sonderlich begeistert davon zu sein,
    selbst ein Baby zu bekommen, und ich muss ehrlich sagen,
    bei dem Satz deines Freundes, würde mir die Lust dazu auch vergehen.

    Aber ich finde es gut, dass ihr doch zu der Taufe gegangen seid,
    und du zumindest leckenen Kuchen gegessen hast.
    Ob deine Eltern eine gute Meinung von ihm haben,
    finde ich persönlich nicht so wichtig, denn
    schließlich lebst DU mit ihm, und nicht sie,
    und wenn er dich glücklich macht, ist es doch gut so!!

    GLG an dich
    Conchi

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  3. WWWTYREL schreibt:

    Gestern war wohl „Groß-Tauftag“ in Deutschland. Habe heute nen kleinen Muskelkater, weil ich den Täufling ständig durch die Gegend getragen habe. Aber freiwillig. Finde Deine Einstellung echt ok, wenn Du keinen Nachwuchs produzieren willst. Lass Dir da nix aufzwingen.

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    • breakpoint schreibt:

      AFAIK wird es in vielen Gemeinden so gehandhabt, dass am ersten Sonntag im Monat die Taufen stattfinden. Insofern überrascht mich das jetzt nicht so sehr.
      Sabine hat auch über Rückenschmerzen geklagt. Nö, auf solche Beschwerden lege ich keinen Wert.

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  4. Kummerkasten-Sisa schreibt:

    Blöd wird es nur dann, wenn man sich nicht einig ist.

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  5. McHilde schreibt:

    zu viel torte ist nicht gut …

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  6. engywuck schreibt:

    mein Mitgefühl. Ich mag Kinder eigentlich *frühestens* ab so etwa nem dreivierteljahr (nach der Geburt :-)) Davor fehlt einfach die sich im ganzen Körper ausdrückende Persönlichkeit (anders ausgedrückt: vorher merkt man von der Persönlichkeit außer „ist Schreikind“/“ist keins“ doch eher wenig). Gerade Neugeborene sehen eigentlich meist eher wie Maden aus (aber sag das mal ner Mutter…die wenigsten ertragen das). Und anfangs verhalten sie sich ja auch wie Maden: eine Seite Futter rein, andere Seite das Verdaute wieder raus. Mit etwas Pech auch vorne wieder raus, am besten über frische Hemden.
    Dann noch als einzige Regungen Schreien und Schlafen kennen (so im zwei-Stunden-Rhythmus, zumindest anfangs) macht so ein Wesen auch nicht notwendigerweise sympathischer und Dauererträglicher.
    Aber zum Glück hat die Natur da wohl bei frischgebackenen Eltern *einige* Filter eingebaut, sonst gäb’s uns alle nicht und wir hätten als Flecken an den Wänden geendet…

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  7. breakpoint schreibt:

    ZweihundertsechsundsiebzigLetzte Woche hatten wir in diesem Blog eine Diskussion übers Kinderkriegen. Die meisten Kommentare bestärkten mich durchaus in meiner Meinung, niemals Mutter werden zu wollen.

    Dabei bin ich längst Mutter.
    Geistige Mutter.
    Meine Softwareprojekte si…

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  8. santa123 schreibt:

    In logic, the time that an algorithm requires to complete cannot be measured, as it is not apparently related with our customary physical dimension. Thank you. press release for event

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  9. Pingback: Zweihundertsechsundsiebzig | breakpoint

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